Die Zeit der Verachtung
Segelschiffen fahren ... Weltgegenden erreichen, die niemals jemand vor ihm gesehen hat ... Fabio Sachs, der Entdecker ... Seinen Namen erhält ein Vorgebirge, der Rand eines Kontinents, der heute noch keinen Namen hat. Im Alter von vierundfünfzig Jahren, verheiratet, Vater von einem Sohn und drei Töchtern, wird er fern von Zuhause und seinen Nächsten sterben, an einer Krankheit, die heute noch keinen Namen hat ...
»Ciri! Was hast du?«
Sie wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Sie hatte den Eindruck, als tauche sie aus Wasser empor, vom Grunde eines tiefen, eiskalten Sees an die Oberfläche.
»Es ist nichts ...«, murmelte sie, während sie um sich blickte und wieder zu sich kam. »Mir ist schwindlig geworden ... Das liegt an dieser Hitze. Und an dem Weihrauch aus dem Zelt ...«
»Eher wohl an dem Sauerkraut«, sagte Fabio ernsthaft. »Wir hätten nicht so viel essen sollen. Mir geht es auch im Bauche um.«
»Ich habe nichts!« Ciri hob keck den Kopf und fühlte sich tatsächlich besser. Die Gedanken, die ihr durch den Kopf gewirbelt waren, verwehten, sanken in Vergessenheit. »Komm, Fabio. Lass uns weitergehen.«
»Willst du eine Birne?«
»Na klar.«
Bei der Mauer spielte eine Gruppe Halbwüchsiger um Geld Kreiseln. Den exakt mit der Schnur umwickelten Kreisel musste man mit einem geschickten Ruck, der an einen Peitschenhieb erinnerte, so in Drehbewegung versetzen, dass er auf den mit Kreide gezeichneten Feldern Kreise beschrieb. Ciri hatte beim Kreiseln die meisten Jungen von den Skellige-Inseln besiegt, auch sämtliche Adeptinnen im Tempel der Melitele übertroffen. Sie erwog schon, sich in das Spiel einzuschalten und den Taugenichtsen nicht nur die Kupfermünzen, sondern auch die geflickten Hosen abzunehmen, als ihre Aufmerksamkeit plötzlich von lauten Rufen gefesselt wurde.
Ganz am Ende der Reihe von Zelten und Buden, an die Wand und die Steintreppe gezwängt, stand eine sonderbare halbrunde Absperrung aus Planen, die an klafterlangen Stangen aufgespannt waren. Zwischen zwei Pfosten befand sich ein Eingang, den ein hochgewachsener, pockennarbiger Mann in Steppjacke, gestreiften Hosen und Matrosenstiefeln versperrte. Vor ihm drängte sich eine Gruppe Leute. Nachdem sie dem Pockennarbigen ein paar Münzen in die Hand gedrückt hatten, verschwanden die Leute der Reihe nach hinter der Plane. Der Pockennarbige steckte das Geld in einen ansehnlichen Beutel, schüttelte ihn, dass es klingelte, und rief mit heiserer Stimme: »Zu mir, gute Leute! Zu mir! Ihr werdet mit eigenen Augen das schrecklichste Wesen sehen, das die Götter erschaffen haben! Furcht und Entsetzen! Ein lebendiger Basilisk, der giftige Schrecken der serrikanischen Wüsten, ein leibhaftiger Teufel, ein unersättlicher Menschenfresser! So ein Untier habt ihr noch nicht gesehen, ihr Leute! Eben erst gefangen und mit dem Schiff übers Meer gebracht! Schaut ihn euch an, schaut euch mit eigenen Augen einen lebendigen, fürchterlichen Basilisken an, denn so etwas werdet ihr niemals und nirgends mehr zu sehen bekommen! Letzte Gelegenheit! Hier bei mir für nur drei Fünfer! Weiber mit Kind je zwei Fünfer!«
»Ha«, sagte Ciri, während sie Wespen von der Birne verscheuchte. »Ein Basilisk? Und lebendig? Den muss ich unbedingt sehen. Bis jetzt habe ich nur Stiche gesehen. Komm, Fabio.«
»Ich habe kein Geld mehr ...«
»Ich habe welches. Ich werde für dich bezahlen. Komm nur.«
»Es müssen sechs sein.« Der Pockennarbige schaute auf die Kupfermünzen, die sie ihm gegeben hatte. »Drei Fünfer pro Person. Billiger nur für Weiber mit Kind.«
»Er« – Ciri zeigte mit der Birne auf Fabio – »ist ein Kind. Und ich bin ein Weib.«
»Billiger nur für Weiber mit Kind auf dem Arm«, knurrte der Pockennarbige. »Also leg noch zwei Fünfer zu, schlaues Fräulein, oder verschwinde und lass die anderen vorbei. Beeilt euch, Leute! Es sind nur noch drei Plätze frei!«
Hinter der Absperrung aus Planen drängten sich Städter im Kreis um ein aus Brettern gezimmertes Podest, auf dem ein hölzerner, mit einem Teppich bedeckter Käfig stand. Nachdem er die letzten Zuschauer eingelassen hatte, sprang der Pockennarbige auf das Podest, nahm eine lange Stange und zog damit den Teppich weg. Aasgestank und ein unangenehmer Reptiliengeruch drangen heran. Die Zuschauer begannen zu flüstern und wichen ein wenig zurück.
»Daran tut ihr recht, gute Leute«, erklärte der Pockennarbige. »Nicht zu nahe, denn das ist
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