Die Zeit der Verachtung
Mühe machen. Sie haben vertretungsweise eine Armee Spione hergeschickt. Die in der Bruderschaft und solche von außerhalb. Sicherlich, um auszuspionieren, was hier in der Luft liegt.«
Dijkstra spuckte die Olivenkerne auf den Tisch, nahm eine lange Gabel von der silbernen Halterung und begann damit in den Tiefen einer kristallenen Salatschüssel zu stochern.
»Und Vilgefortz«, sagte er, ohne mit dem Stochern aufzuhören, »hat dafür gesorgt, dass hier kein Spion fehlt. Er hat alle königlichen Spione auf einem Haufen. Und wozu braucht Vilgefortz alle königlichen Spione auf einem Haufen, Hexer?«
»Ich habe keine Ahnung. Und es kümmert mich auch wenig. Wie gesagt, ich bin privat hier. Ich gehöre sozusagen nicht zum Haufen.«
König Wisimirs Spion angelte einen kleinen Kraken aus der Salatschüssel und betrachtete ihn angewidert. »Die essen das.« Er schüttelte mit gespieltem Mitleid den Kopf, worauf er sich wieder Geralt zuwandte. »Hör mir aufmerksam zu, Hexer«, sagte er leise. »Deine Überzeugung, du seiest privat hier, ist deine Gewissheit, dass nichts dich etwas angeht und nichts dich angehen kann ... Das schockiert mich und reizt mich, etwas zu riskieren. Hast du dafür eine Ader?«
»Deutlicher bitte.«
»Ich schlage dir eine Wette vor.« Dijkstra hob die Gabel mit dem darauf aufgespießten Kopffüßer. »Ich behaupte, dass dich im Laufe der nächsten Stunde Vilgefortz um eine längere Unterredung bittet. Ich behaupte, dass er dir während dieser Unterredung beweisen wird, dass du keine Privatperson bist und dass du zu seinem Haufen gehörst. Wenn ich mich irre, werde ich das vor deinen Augen aufessen, mit Saugnäpfen und allem Drum und Dran. Nimmst du die Wette an?«
»Was muss ich essen, wenn ich verliere?«
»Nichts.« Dijkstra blickte sich rasch um. »Wenn du verlierst, berichtest du mir den Inhalt deines Gesprächs mit Vilgefortz.«
Der Hexer schwieg für einen Moment und schaute den Spion ruhig an. »Ich verabschiede mich, Graf«, sagte er schließlich. »Ich danke für die Plauderei. Sie war lehrreich.«
Dijkstra war leicht entrüstet. »Also das ist ...«
»Ist es«, unterbrach ihn Geralt. »Ich verabschiede mich.«
Der Spion zuckte mit den Schultern, warf den Kraken mitsamt der Gabel in die Salatschüssel, wandte sich ab und ging. Geralt schaute ihm nicht nach. Er bewegte sich langsam zu einem anderen Tisch, um an die riesigen weiß-rosa Garnelen heranzukommen, die sich auf einer silbernen Schale inmitten von Salatblättern und Zitronenvierteln türmten. Er hatte Appetit darauf, doch da er noch immer neugierige Blicke auf sich spürte, wollte er die Schalentiere distinguiert essen, die Form wahren. Er näherte sich betont langsam, zurückhaltend, und nahm würdevoll ein paar Happen aus anderen Schüsseln.
Am Nachbartisch stand Sabrina Glevissig, ins Gespräch mit einer ihm unbekannten Zauberin mit feuerrotem Haar vertieft. Die Rothaarige trug einen weißen Rock und eine Bluse aus weißem Georgette. Die Bluse war wie die von Sabrina absolut durchsichtig, verfügte aber über ein paar strategisch verteilte Applikationen und Stickereien. Die Applikationen hatten, wie Geralt feststellte, eine interessante Eigenschaft: sie verdeckten und enthüllten abwechselnd.
Die Zauberinnen unterhielten sich und delektierten sich dabei an Langustenscheiben in Mayonnaise. Sie sprachen leise und in der Älteren Rede. Obwohl sie nicht zu ihm herschauten, redeten sie offensichtlich über ihn. Er strengte indiskret sein empfindliches Hexergehör an und tat dabei so, als interessierten ihn ausschließlich die Garnelen.
»... mit Yennefer?«, vergewisserte sich die Rothaarige und spielte mit ihrer Perlenkette, die so um den Hals gelegt war, dass sie wie ein Halsband aussah. »Meinst du das im Ernst, Sabrina?«
»Absolut«, erwiderte Sabrina Glevissig. »Du wirst es nicht glauben, das geht schon ein paar Jahre so. Dass er es mit diesem Scheusal aushält, wundert mich wirklich.«
»Was gibt es da zu wundern? Sie hat ihn mit einem Zauber belegt, hält ihn im Bann. Als ob ich das nicht selber oft genug getan hätte.«
»Das ist doch ein Hexer. Die lassen sich nicht verzaubern. Jedenfalls nicht so lange.«
»Dann ist es Liebe«, seufzte die Rothaarige. »Und Liebe ist blind.«
Sabrina verzog das Gesicht. »Er ist blind. Ob du es glaubst oder nicht, sie hat es gewagt, mich ihm als Schulfreundin vorzustellen! Stompe putha, sie ist so viel älter als ich, dass ... Aber was soll’s. Ich sage
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