Die Zeit der Verachtung
dir, sie ist wegen dieses Hexers eifersüchtig wie der Teufel. Die kleine Merigold hat ihn nur angelächelt, und da hat sie sie heruntergeputzt, was das Zeug hielt, und weggejagt. Und momentan ... Schau nur. Sie steht dort, unterhält sich mit Francesca, lässt aber kein Auge von dem Hexer.«
»Sie hat Angst«, kicherte die Rothaarige, »dass wir ihn ihr ausspannen, und sei es nur für heute Nacht. Was meinst du, Sabrina? Versuchen wir’s? Der Bursche ist attraktiv, ganz was anderes als unsere neunmalklugen Waschlappen mit ihren Komplexen und Ansprüchen ...«
»Sprich leiser, Marti«, zischte Sabrina. »Blick nicht zu ihm hin und schon gar nicht so gierig. Yennefer beobachtet uns. Und bewahre Haltung. Du willst ihn verführen? Das ist schlechter Stil.«
»Hm, du hast recht«, gab Marti nach kurzem Überlegen zu. »Aber wenn er plötzlich herkommen und selbst ein Angebot machen würde?«
»Dann« – Sabrina Glevissig warf dem Hexer einen Blick aus den schwarzen Raubtieraugen zu – »würde ich mich ohne zu überlegen mit ihm einlassen, und wenn’s auf blankem Stein wäre.«
»Und ich«, kicherte Marti, »sogar auf einem Igel.«
Der Hexer starrte das Tischtuch an und versteckte sein dummes Gesicht hinter einer Garnele und einen Salatblatt, unerhört froh, dass die Mutation der Blutgefäße es ihm unmöglich machte, zu erröten.
»Der Hexer Geralt?«
Er schluckte die Garnele hinunter, wandte sich um. Ein Zauberer mit bekannten Gesichtszügen deutete ein Lächeln an und berührte die umsäumten Revers seines veilchenblauen Doubletts. »Dorregaray von Vole. Wir kennen uns doch. Wir sind einander ...«
»Ich erinnere mich. Entschuldige, dass ich dich nicht gleich erkannt habe. Ich freue mich ...«
Der Zauberer lächelte etwas deutlicher, während er von einem Tablett, das ein Page vorbeitrug, zwei Kelche nahm.
»Ich beobachte dich seit einiger Zeit«, sagte er und reichte Geralt einen der Kelche. »Allen, denen dich Yennefer vorgestellt hat, hast du erklärt, dass du dich freust. Heuchelei oder Mangel an Kritikfähigkeit?«
»Höflichkeit.«
»Denen gegenüber?« Dorregaray wies mit einer weiten Geste auf die Versammelten. »Glaub mir, es lohnt die Mühe nicht. Das ist eine aufgeblasene, neidische und verlogene Bande, deine Höflichkeit werden sie nicht zu schätzen wissen, sondern vielmehr für Sarkasmus halten. Mit denen, Hexer, muss man auf ihre eigene Art umgehen, ohne Umschweife, arrogant, unhöflich, dann imponierst du ihnen wenigstens. Trinkst du ein Glas Wein mit mir?«
»Das gepanschte Zeug, das sie hier servieren?«, sagte Geralt mit freundlichem Lächeln. »Mit größtem Widerwillen. Na, aber wenn es dir schmeckt ... Ich werd’s mir hineinzwingen.«
Sabrina und Marti, die von ihrem Tisch her lange Ohren machten, platzten mit lautem Lachen heraus. Dorregaray bedachte beide mit einem Blick voller Verachtung, wandte sich um, stieß mit seinem Glas an den Kelch des Hexers und lächelte, diesmal aber offener.
»Punkt für dich«, sagte er ungezwungen. »Du lernst schnell. Zum Henker, wo hast du dir so eine Schlagfertigkeit zugelegt? Auf den Landstraßen, wo du immer noch auf den Spuren aussterbender Geschöpfe umherziehst? Auf deine Gesundheit. Du wirst lachen, aber du bist einer der wenigen in diesem Saal, dem ich gern so etwas wünsche.«
»Wirklich?« Geralt nippte an dem Wein, bewegte die Zunge, genoss den Geschmack. »Obwohl ich meinen Lebensunterhalt mit dem Abschlachten aussterbender Tiere verdiene?«
»Keine Wortklauberei bitte.« Der Zauberer klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Das Bankett hat eben erst begonnen. Es werden sich bestimmt noch ein paar Leute mit dir anlegen, also geh sparsamer mit giftigen Erwiderungen um. Was aber deinen Beruf angeht ... Du, Geralt, hast wenigstens Anstand genug, dich nicht mit Trophäen zu behängen. Aber schau dich um. Na, nur Mut, gutes Betragen beiseite, sie haben es gern, wenn man sie anstarrt.«
Gehorsam heftete der Hexer den Blick auf die Brüste von Sabrina Glevissig.
»Schau.« Dorregaray fasste ihn am Ärmel und zeigte mit dem Finger auf eine vorübergehende, tüllumflatterte Zauberin. »Schuhe aus der Haut einer Hornagame. Hast du es bemerkt?«
Er nickte, nicht ganz ehrlich, denn er hatte ausschließlich das gesehen, was die Tüllbluse nicht verbarg.
»Da, bitte, eine Felskobra.« Unfehlbar erkannte der Zauberer das nächste durch den Saal paradierende Paar Schuhe. Die Mode, die die Röcke auf eine
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