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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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hab’s gesehen!«, rief ein junger Mann mit wirrem Haarschopf, der auf der anderen Seite des Wagens herangeritten kam. Er ritt ohne Sattel und lenkte die dürre falbe Mähre mit der Kandare. »Alles hab ich gesehen! Weil ich bei den Soldaten war, ganz vorn!«
    »Seht ihn euch an, die Rotznase«, sagte der Alte, der kutschierte. »Noch grün hinter den Ohren, und spuckt große Töne. Willst’n paar übergezogen kriegen?«
    »Lasst ihn, Vater«, schaltete sich Aplegatt ein. »Gleich kommt die Weggabelung, da reite ich nach Carreras, aber vorher möchte ich noch wissen, wie das mit diesem Hexer war. Red, Kleiner.«
    »Also das war so«, begann der junge Mann rasch, während er im Schritt neben dem Wagen ritt, »dass dieser Hexer zum Befehlshaber der Soldaten kam. Er sagte, er heißt Gerant. Der Befehlshaber darauf, er kann heißen, wie er will, er soll sich lieber an die Arbeit machen. Und zeigte ihm, wo das Ungeheuer saß. Der Hexer ging näher ran, schaute ein bisschen. Bis zu dem Ungeheuer waren es gut hundert Schritt, vielleicht sogar mehr, aber er schaute bloß von weitem und sagte gleich, dass das eine selten große Mantikora ist und er sie umbringt, wenn man ihm zweihundert Kronen bezahlt.«
    »Zweihundert Kronen?« Dem zweiten Greis blieb die Luft weg. »Was denn, war der denn ganz bescheuert?«
    »Das hat der Herr Befehlshaber auch gesagt, bloß etwas hässlicher. Drauf der Hexer, dass es so viel kosten muss und dass es ihm gleich ist, soll doch das Ungeheuer ruhig bis zum jüngsten Tag auf der Straße sitzen. Drauf der Befehlshaber, dass er so viel nicht rausrücken wird, da wartet er lieber, bis das Geschöpf von selber wegfliegt. Der Hexer aber drauf, dass es nicht wegfliegen wird, weil es hungrig und wütend ist. Und wenn es wegfliegt, kommt es gleich wieder, weil das sein Jagdterro  ... terret  ... terretor  ...«
    »Fasel nicht, du Rotznase!«, sagte der Alte, der kutschierte, ärgerlich und versuchte ohne ersichtlichen Erfolg, sich in die Finger zu schneuzen, in denen er gleichzeitig die Zügel hielt. »Sag nur, was war!«
    »Sag ich doch! Der Hexer also hat gesagt: Das Ungeheuer wird nicht wegfliegen, sondern die ganze Nacht lang den toten Ritter fressen, langsam, weil der Ritter ’ne Rüstung anhat und schwer rauszuklauben ist. Da kamen die Kaufleute und fingen an, den Hexer zu bereden, so und so, dass sie sammeln wollen und ihm hundert Kronen geben. Aber der Hexer sagt ihnen darauf, dass die Bestie nämlich Mantikora heißt und sehr gefährlich ist, also können sie sich diese hundert Kronen in den Hintern stecken, dafür riskiert er nicht seinen Hals. Da wurde nun der Befehlshaber wütend und sagte, dass das nun mal Sache eines Hundes und eines Hexers ist, den Hals zu riskieren, und dass der Hexer genau dazu da ist wie der Arsch zum Scheißen. Aber die Kaufleute hatten, scheint’s, Angst, dass der Hexer böse wird und seiner Wege geht, denn sie gingen auf hundertfünfzig hoch. Und der Hexer zog sein Schwert und ging die Straße lang zu der Stelle, wo das Untier saß. Und der Befehlshaber machte hinter ihm her ein Zeichen gegen das Böse und spuckte aus und sagte, dass er nicht versteht, wieso die Erde solche abartige Teufelsbrut trägt. Drauf sagte einer von den Kaufleuten zu ihm, dass das Militär ja wohl, statt im Wald auf Elfen Jagd zu machen, die Straßen von Ungeheuern säubern könnte, und dann bräuchte es keine Hexer zu geben und  ...«
    »Schweif nicht ab«, unterbrach ihn einer der Alten, »sondern erzähl, was du gesehen hast.«
    »Ich«, brüstete sich der junge Mann, »habe auf das Pferd des Hexers aufgepasst, eine Fuchsstute mit einer weißen Blesse.«
    »Zum Kuckuck mit der Stute! Aber wie der Hexer das Ungeheuer erschlagen hat, hast du das gesehen?«
    »Ähm  ...«, druckste der junge Mann. »Hab ich nicht  ... Ich wurde nach hinten gedrängt. Alle brüllten laut und machten die Pferde scheu, da  ...«
    »Ich hab’s ja gesagt« – der Alte spuckte verächtlich aus  –, »dass er einen Scheißdreck gesehen hat, der Rotzlöffel.«
    »Aber ich habe den Hexer gesehen, wie er zurückgekommen ist!«, plusterte sich der Bursche auf. »Und der Befehlshaber, der alles mitangesehen hatte, war ganz weiß im Gesicht und sagte leise zu den Soldaten, dass das magische Zauberei ist oder Elfentricks, denn ein gewöhnlicher Mensch kann nicht so schnell mit dem Schwert sein  ... Der Hexer aber, der nahm das Geld von den Kaufleuten, stieg auf seine Stute und ritt

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