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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Märchen aufhören, Märchen zu sein? In dem Augenblick, da jemand anfängt, an sie zu glauben. Und an das Märchen vom Älteren Blute glaubt jemand. Insbesondere an das Fragment, in dem davon die Rede ist, dass aus dem Blute Falkas der Rächer geboren wird, der die alte Welt vernichtet und auf ihren Trümmern eine neue erbaut.«
    »Und dieser Rächer soll Cirilla sein?«
    »Nein. Nicht Cirilla. Ihr Sohn.«
    »Und Cirilla wird gesucht von  ...«
    »Emhyr var Emreis, dem Kaiser von Nilfgaard«, beendete Codringher mit kalter Stimme den Satz. »Verstehst du jetzt? Cirilla soll, ob sie will oder nicht, die Mutter des Thronfolgers werden. Des Erzfürsten, der zum Erzfürsten der Finsternis werden soll, zum Nachkommen und Rächer jener Teuflin Falka. Die Vernichtung und der anschließende Wiederaufbau der Welt sollen, wie mir scheint, auf geregelte und kontrollierte Weise erfolgen.«
    Der Krüppel schwieg lange.
    »Findest du nicht«, fragte er schließlich, »dass wir Geralt davon in Kenntnis setzen sollten?«
    »Geralt?« Codringher vorzog den Mund. »Wer ist denn das? Nicht zufällig dieser Naivling, der mir unlängst eingeredet hat, dass er nicht um des Vorteils willen handelt? Oh, ich glaube, dass er nicht für den eigenen Vorteil handelt. Er handelt für fremden. Übrigens ohne es zu wissen. Er verfolgt Rience, der an der Leine agiert, und bemerkt das Halsband am eigenen Halse nicht. Ihn sollte ich informieren? Denen helfen, die sich selber dieses goldene Eier legenden Huhns bemächtigen wollen, um Emhyr zu erpressen oder sich bei ihm einzuschmeicheln? Nein, Fenn. So dumm bin ich nun wieder nicht.«
    »Der Hexer agiert an der Leine? An wessen?«
    »Überleg.«
    »Verdammt!«
    »Ein exakt gewähltes Wort. Die einzige Person, die Einfluss auf ihn hat. Der er vertraut. Aber ich traue ihr nicht. Und habe ihr niemals getraut. Ich werde mich selbst in dieses Spiel einschalten.«
    »Das ist ein gefährliches Spiel, Codringher.«
    »Ungefährliche Spiele gibt es nicht. Es gibt nur Spiele, die den Einsatz lohnen oder aber nicht. Fenn, Bruder, verstehst du nicht, was uns in die Hände gefallen ist? Ein goldenes Huhn, das für uns und für niemand anders riesige Eier legen wird, ganz aus dem goldigsten Golde  ...«
    Codringher begann heftig zu husten. Als er das Tuch vom Mund nahm, waren Blutspuren darin.
    »Gold wird das nicht heilen«, sagte Fenn mit einem Blick auf die Hand seines Teilhabers. »Und mir keine Beine verschaffen  ...«
    »Wer weiß?«
    Jemand klopfte an die Tür. Fenn ruckte unruhig in dem Sessel mit Rädern herum. »Erwartest du jemanden, Codringher?«
    »Gewiss. Die Leute, die ich nach Thanedd geschickt habe. Wegen des goldenen Huhns.«
     
    Öffne nicht, schrie Ciri. Öffne diese Tür nicht! Dahinter ist der Tod! Öffne diese Tür nicht!
     
    »Ich mach ja schon auf«, rief Codringher, während er die Riegel zurückschob, worauf er sich zu dem miauenden Kater umwandte. »Bist du wohl still, du Galgenstrick  ...«
    Er verstummte. In der Tür standen nicht die, die er erwartet hatte. In der Tür standen drei Individuen, die er nicht kannte.
    »Herr Codringher?«
    »Der Herr Konsultant ist in Geschäften unterwegs.« Der Advokat machte ein etwas dümmliches Gesicht und gab seiner Stimme einen leicht schrillen Klang. »Ich bin der Kammerdiener des Herrn Konsultanten, mein Name ist Glomb, Mikael Glomb. Womit kann ich den Herren zu Diensten sein?«
    »Mit nichts«, sagte eins von den Individuen, ein hochgewachsener Halbelf. »Wenn der Herr Konsultant nicht da ist, lassen wir nur einen Brief und eine Nachricht hier. Da ist der Brief.«
    »Ich werde ihn getreulich übergeben.« Codringher fühlte sich gut in die Rolle des begriffsstutzigen Lakaien ein, verbeugte sich untertänig, streckte die Hand nach dem zusammengerollten Pergament aus, um das eine rote Schnur gewickelt war. »Und die Nachricht?«
    Die Schnur um das Pergament wickelte sich ab wie eine angreifende Schlange, schoss vor und umschlang ihm fest das Handgelenk. Der Hochgewachsene ruckte heftig daran. Codringher verlor das Gleichgewicht, stürzte nach vorn, streckte, um nicht auf den Halbelf zu prallen, instinktiv die linke Hand gegen dessen Brust. In dieser Haltung war er außerstande, dem Stilett auszuweichen, das ihm in den Bauch gerammt wurde. Er schrie dumpf auf und drängte zurück, doch die ums Handgelenk gewickelte magische Schnur hielt ihn fest. Der Halbelf zog ihn abermals auf sich zu und versetzte ihm einen weiteren Stich. Diesmal

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