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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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stemmte sich auf den Ellenbogen hoch, beugte sich herüber, küsste sie. Sie bewegte sich heftig, umarmte ihn. Schweigend.
    »Sag was.«
    »Ich möchte dich nicht verlieren, Yen.«
    »Du hast mich doch.«
    »Diese Nacht wird zu Ende gehen.«
    »Alles geht zu Ende.«
    Nein, dachte er. Ich will nicht, dass es so ist. Ich bin müde. Zu müde, um die Aussicht auf Enden zu akzeptieren, die Anfänge sind, wo man alles von vorn beginnen muss. Ich möchte  ...
    »Sag nichts.« Mit einer raschen Bewegung legte sie ihm die Finger auf den Mund. »Sag mir nicht, was du möchtest und was du dir wünschst. Denn es könnte sich erweisen, dass ich deine Wünsche nicht zu erfüllen vermag, und das tut mir weh.«
    »Und was wünschst du dir, Yen? Wovon träumst du?«
    »Nur von erreichbaren Dingen.«
    »Und ich?«
    »Dich hab ich schon.«
    Er schwieg lange. Und schließlich brach sie das Schweigen.
    »Geralt?«
    »Mhm?«
    »Liebe mich, bitte.«
    Anfangs, voneinander erfüllt, waren sie beide reich an Phantasie und Erfindungsgabe, voller Einfälle, auf Entdeckungen aus und begierig auf Neues. Wie üblich zeigte sich alsbald, dass das zugleich zu viel und zu wenig war. Sie verstanden das gleichzeitig und erwiesen einander abermals ihre Liebe.
    Als Geralt wieder zu sich kam, war der Mond immer noch an seinem Platz. Die Zikaden zirpten eifrig, als wollten auch sie mit Wahnsinn und Vergessenheit gegen Unruhe und Furcht ankämpfen. Aus einem nahen Fenster im linken Flügel von Aretusa schrie jemand, der schlafen wollte, und verlangte fluchend Ruhe. Aus einem Fenster auf der anderen Seite applaudierte, offensichtlich eine kunstbeflissenere Natur, jemand enthusiastisch und gratulierte.
    »Ach, Yen  ...«, flüsterte der Hexer vorwurfsvoll.
    »Ich hatte einen Grund  ...« Sie küsste ihn und drückte dann die Wange ins Kissen. »Ich hatte einen Grund zu schreien. Also habe ich geschrien. Das soll man nicht unterdrücken, es wäre ungesund und unnatürlich. Umarme mich, wenn du kannst.«
     

Lara-Teleport  
, nach seinem Entdecker auch Benavents Portal genannt. Befindet sich auf der Insel Thanedd, im letzten Stockwerk des Möwenturms. Stationär, sporadisch aktiv. Funktionsprinzipien: unbekannt. Ziel: unbekannt, wahrscheinlich infolge spontanen Zerfalls verschoben, möglicherweise zahlreiche Verzweigungen und Abweichungen.
    Achtung: Der Teleport ist chaotisch und lebensgefährlich. Experimente sind kategorisch verboten. Im Möwenturm und seiner unmittelbaren Umgebung darf Magie, insbesondere Teleportationsmagie, nicht angewendet werden. Das Kapitel prüft Ausnahmeanträge auf Zugang zum Tor Lara und Betrachtung des Teleports. Der Antrag muss mit bereits in Angriff genommenen Forschungsarbeiten und einer Spezialisierung im betreffenden Fachgebiet begründet werden.
    Bibliographie: Geoffrey Monck:
 Die Magie des Älteren Volkes 
; Immanuel Benavent:
 Das Portal vom Tor Lara; 
Nina Fioravanti:
 Theorie und Praxis der Teleportation; 
Ransant Alvaro:
Die Tore des Geheimnisses.
     
    Prohibita (Liste der verbotenen Artefakte),
    Ars Magica
 , Ed. LVIII

Das vierte Kapitel
    Anfangs waren da nur das pulsierende, unstete Chaos und eine Kaskade von Bildern, ein Wirbeln, ein Abgrund voller Töne und Stimmen. Ciri sah einen in den Himmel ragenden Turm, auf dessen Dach Blitze tanzten. Sie hörte den Schrei eines Raubvogels und war dieser Raubvogel. Sie flog mit gewaltiger Geschwindigkeit, und unter ihr lag ein aufgewühltes Meer. Sie sah eine kleine Puppe aus Stoffresten und war plötzlich diese Puppe, und ringsum ballte sich Dunkelheit, die von den Stimmen der Zikaden vibrierte. Sie sah einen großen schwarz-weißen Kater und war auf einmal dieser Kater, und ringsum lag ein finsteres Haus, dunkel gewordene Täfelung, der Geruch von Kerzen und alten Büchern. Sie hörte, wie jemand mehrmals ihren Namen aussprach, sie herbeirief. Sie sah silberne Lachse in Wasserfällen springen, hörte das Rauschen des Regens, der auf das Laub traf. Und dann hörte sie einen seltsamen, langgezogenen Schrei Yennefers. Und es war dieser Schrei, der sie erwachen ließ, sie aus dem Abgrund von Zeit- und Formlosigkeit riss.
    Jetzt, da sie erfolglos versuchte, sich an den Traum zu erinnern, hörte sie nur noch die leisen Klänge einer Laute und einer Flöte, das Klingeln eines Tamburins, Gesang und Lachen. Rittersporn und eine Gruppe zufällig zusammengekommener Vaganten amüsierten sich noch immer aufs beste in dem Zimmer am Ende des Korridors.
    Durchs Fenster fiel

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