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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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einem Weg geworden. Am Ende des Weges, sehr weit entfernt, lag eine Tür. Die Tür öffnete sich, und Yennefer stand darin.
    Komm.
    Hinter dem Rücken der Zauberin öffneten sich weitere Türen. Eine nach der anderen. Unendlich viele. In der Dunkelheit zeichneten sich undeutlich die schwarzen Formen von Säulen ab. Vielleicht auch von Statuen. Ich träume, dachte Ciri, ohne es selbst zu glauben. Ich träume. Das ist gar kein Weg, das ist Licht, ein Lichtstreifen. Darauf kann man nicht gehen  ...
    Komm.
    Sie gehorchte.
     
    Ohne die dummen Skrupel des Hexers, ohne seine lebensfremden Prinzipien hätten viele der folgenden Ereignisse ganz anders verlaufen können. Vieles hätte sich wahrscheinlich überhaupt nicht ereignet. Und dann hätte die Weltgeschichte eine andere Richtung eingeschlagen.
    Doch die Weltgeschichte verlief so, wie sie verlaufen ist – und das ausschließlich aus dem Grunde, dass der Hexer Skrupel hatte. Als er gegen Morgen erwachte und ein Bedürfnis verspürte, tat er nicht, was jeder getan hätte – er ging nicht auf den Balkon, um in den Blumenkübel mit der Kapuzinerkresse zu pinkeln. Er hatte Skrupel. Er zog sich leise an, ohne Yennefer zu wecken, die tief, reglos und fast ohne zu atmen schlief. Er trat aus dem Zimmer und ging in den Garten.
    Das Bankett dauerte an, aber, wie die herandringenden Geräusche verrieten, nur noch ein letzter Rest. Die Fenster des Ballsaales verströmten immer noch Licht, das ins Atrium und auf die Pfingstrosenbeete fiel. Also ging der Hexer noch ein Stück weiter, in immer dichteres Gebüsch, und schaute dort zum heller werdenden Himmel, wo der Horizont schon in Morgenröte getaucht war.
    Als er langsam zurückging und über wichtige Dinge nachdachte, begann sein Hexermedaillon heftig zu rucken. Er hielt es mit der Hand fest und spürte, wie die Vibration durch den ganzen Körper lief. Kein Zweifel – jemand in Aretusa wirkte Zaubersprüche. Geralt spitzte die Ohren und vernahm gedämpfte Schreie, Rumoren und Poltern aus dem Säulengang im linken Flügel des Palastes.
    Jeder andere hätte ohne zu zögern kehrtgemacht, wäre raschen Schrittes seiner Wege gegangen und hätte so getan, als habe er nichts gehört. Und auch dann wäre die Weltgeschichte vielleicht anders verlaufen. Doch der Hexer hatte Skrupel und pflegte nach unangebrachten, weltfremden Prinzipien zu handeln.
    Als er in den Säulengang und den Korridor kam, war dort ein Kampf im Gange. Etliche Häscher in grauen Jacken setzten einen zu Boden geworfenen, nicht besonders großen Zauberer außer Gefecht. Und zwar unter der Anleitung Dijkstras, des Geheimdienstchefs Wisimirs, des Königs von Redanien. Ehe Geralt irgendetwas unternehmen konnte, wurde er selbst außer Gefecht gesetzt – zwei andere graue Häscher drückten ihn an die Wand, und ein dritter setzte ihm die dreizackige Klinge einer Partisane auf die Brust.
    Alle Häscher trugen Ringkragen mit dem redanischen Adler.
    »Das nennt man ›in die Scheiße treten‹«, erklärte Dijkstra leise, während er näher kam. »Und du, Hexer, hast anscheinend ein angeborenes Talent zu solchen Tritten. Bleib ruhig stehen und versuche, niemandes Aufmerksamkeit zu erregen.«
    Die Redanier hatten den Zauberer endlich außer Gefecht gesetzt und hoben ihn auf, wobei sie ihm die Hände festhielten. Es war Artaud Terranova, Mitglied des Kapitels.
    Das Licht, das es erlaubte, Einzelheiten zu sehen, drang aus einer Kugel, die über dem Kopf von Keira Metz hing, der Zauberin, mit der Geralt am Abend auf dem Bankett geplaudert hatte. Er erkannte sie kaum – sie hatte den wehenden Tüll gegen strenge Männerkleidung vertauscht, und an der Seite trug sie ein Stilett.
    »Fesselt ihn«, befahl sie knapp. In ihrer Hand klirrten Handschellen, die aus einem blauen Metall gefertigt waren.
    »Wage es nicht, mir das anzulegen!«, brüllte Terranova. »Wage es ja nicht, Metz! Ich bin Mitglied des Kapitels!«
    »Warst du. Jetzt bist du ein gewöhnlicher Verräter. Und man wird dich wie einen Verräter behandeln.«
    »Und du bist eine widerliche Schlampe, die  ...«
    Keira trat einen Schritt zurück, wiegte sich leicht in den Hüften und rammte ihm mit ganzer Kraft die Faust ins Gesicht. Der Kopf des Zauberers wurde derart nach hinten geschleudert, dass Geralt einen Augenblick lang den Eindruck hatte, er werde vom Körper abreißen. Terranova erschlaffte in den Armen der ihn festhaltenden Leute, aus Nase und Mund rann ihm Blut. Die Zauberin schlug kein zweites Mal zu,

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