Die Zeit der Verachtung
obwohl sie ausgeholt hatte. Der Hexer erkannte das blitzende Messing des Schlagrings an ihren Fingern. Er wunderte sich nicht. Keira war von kleiner Statur, so einen Schlag hätte sie nicht mit bloßer Faust versetzen können.
Er machte keine Bewegung. Die Häscher hielten ihn mit eisernem Griff fest, und der Dorn der Partisane drückte ihm gegen die Brust. Geralt war sich nicht sicher, ob er sich bewegt hätte, wäre er frei gewesen. Ob er gewusst hätte, was er tun sollte.
Die Redanier hatten dem Zauberer die Arme auf den Rücken gebogen und ließen die Handschellen zuschnappen. Terranova schrie auf, begann zu zappeln, wand sich, ein Brechreiz ließ ihn röcheln. Geralt wusste schon, woraus die Handschellen bestanden. Es war eine Legierung von Eisen und Dwimerit, einem seltenen Mineral, das die Eigenschaft hatte, magische Fähigkeiten zu unterdrücken. Diese Unterdrückung ging für die Magier mit recht betrüblichen Nebenwirkungen einher.
Keira Metz hob den Kopf, strich sich die Haare aus der Stirn. Und da bemerkte sie ihn.
»Was macht der hier, verdammt noch mal? Wie kommt er hierher?«
»Er ist hereingetreten«, antwortete Dijkstra gleichmütig. »Er hat ein Talent, hereinzutreten. Was soll ich mit ihm machen?«
»Bewache ihn. Ich habe jetzt keine Zeit.«
Sie ging schnellen Schrittes davon; ihr folgten die Redanier, die Terranova mitschleppten. Die leuchtende Kugel schwebte der Zauberin nach, doch der Morgen graute schon, es wurde rasch heller. Auf ein Zeichen Dijkstras hin ließen die Häscher Geralt los. Der Spion kam näher und schaute dem Hexer in die Augen.
»Bewahre unbedingte Ruhe.«
»Was geht hier vor? Was hat ...«
»Und unbedingtes Schweigen.«
Keira Metz kehrte bald zurück, nicht allein. Mit ihr kam der aschblonde Zauberer, der Geralt am Abend zuvor als Detmold von Ban Ard vorgestellt worden war. Beim Anblick des Hexers begann er zu fluchen und hieb sich mit der Faust in die Handfläche. »Verdammt! Ist das der, den sich Yennefer ausgesucht hat?«
»Ebender«, bestätigte Keira. »Geralt von Riva. Das Problem besteht darin, dass ich nicht weiß, wie es sich mit Yennefer verhält ...«
»Ich weiß das auch nicht«, sagte Detmold achselzuckend. »Jedenfalls steckt er schon mit drin. Er hat zu viel gesehen. Bringt ihn zu Philippa, sie wird entscheiden. Fesselt ihn.«
»Das ist nicht notwendig«, sagte Dijkstra scheinbar lässig. »Ich übernehme die Verantwortung für ihn. Ich bringe ihn dahin, wo er hingehört.«
Detmold nickte. »Das trifft sich bestens. Denn wir haben keine Zeit. Komm, Keira, dort oben wird es kompliziert ...«
»So was von nervös«, murmelte der redanische Spion, während er den Davongehenden nachblickte. »Keine Übung, das ist es. Aber Staatsstreiche und Putsche sind wie Mangold-Kaltschale. Kalt zu genießen. Gehen wir, Geralt. Und denk dran: ruhig, anständig, ohne Eskapaden. Lass mich nicht bereuen, dass ich dich nicht habe fesseln lassen.«
»Was geht hier vor, Dijkstra?«
»Du kannst es dir noch nicht denken?« Der Spion ging neben ihm, drei Redanier hielten sich hinter ihnen. »Sag ehrlich, Hexer, wie kommt es, dass du hier aufgetaucht bist?«
»Ich fürchtete, dass die Kapuzinerkresse eingehen könnte.«
»Geralt.« Dijkstra schaute ihn schief an. »Du bist bis über den Kopf in die Scheiße geraten. Du bist aufgetaucht und hältst den Mund über der Oberfläche, aber mit den Füßen hast du immer noch nicht den Grund der Abortgrube erreicht. Jemand reicht dir eine Hand zur Hilfe und riskiert dabei, selber hineinzufallen und sich dreckig zu machen. Also lass die dummen Scherze. Yennefer hat dich hergeschickt, ja?«
»Nein. Yennefer schläft im warmen Bett. Beruhigt dich das?«
Der riesige Spion drehte sich mit einem Ruck um, packte den Hexer bei den Schultern und drückte ihn gegen die Wand des Korridors. »Nein, das beruhigt mich nicht, du verdammter Dummkopf«, zischte er. »Hast du noch nicht begriffen, dass die anständigen, den Königen treuen Zauberer diese Nacht nicht geschlafen haben? Dass sie überhaupt nicht zu Bett gegangen sind? In den warmen Betten schlafen die von Nilfgaard gekauften Verräter. Die käuflichen Subjekte, die selber einen Putsch vorhatten, aber später. Sie wussten nicht, dass ihre Pläne durchschaut sind und man ihren Absichten zuvorkommt. Und jetzt eben holt man sie aus den warmen Betten, haut ihnen Schlagringe in die Fresse, legt ihnen Handschellen aus Dwimerit um die Pfoten. Die Verräter sind erledigt,
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