Die Zeit der Verachtung
schnuppe. Ihr kriegt ’nen Pfeil ab, und basta.«
»Seid ihr darauf aus, mir Angst zu machen?« Der Dichter warf sich wieder in die Brust. »Für wen haltet ihr mich, für einen Stadtschreiberling? Ich, meine Herren Soldaten, habe mehr Schlachtfelder gesehen als ihr alle zusammen. Und über die Dryaden weiß ich auch mehr als ihr. Und sei es, dass sie niemals ohne Warnung schießen.«
»Früher mal war das so, da habt Ihr recht«, sagte der Anführer des Trupps leise. »Früher haben sie gewarnt. Haben einen Pfeil in ’nen Baumstamm geschossen oder auf den Pfad, das hieß, hier, wo der Pfeil steckt, ist die Grenze, keinen Schritt weiter. Wenn einer da schnell kehrtmachte, kam er heil davon. Aber jetzt ist das anders. Jetzt schießen sie gleich so, dass sie einen töten.«
»Woher diese grimmige Feindschaft?«
»Na ja«, murmelte der Soldat, »seht Ihr, das ist so. Als die Könige den Waffenstillstand mit Nilfgaard geschlossen hatten, haben sie sich die Elfenbanden richtig vorgeknöpft. Haben sie anscheinend mächtig unter Druck gesetzt, denn es vergeht keine Nacht, in der nicht Überlebende durch Brugge fliehen, weil sie im Brokilon Schutz suchen. Und wenn die Unseren die Elfen verfolgen, kann es schon mal passieren, dass sie sich mit den Scheuweibern anlegen, die aus dem Brokilon zum Entsatz heranrücken. Und es ist auch vorgekommen, dass unsere Truppen bei der Verfolgung ein bisschen zu viel Schwung hatten ... Ihr versteht?«
»Ich verstehe.« Rittersporn schaute den Soldaten aufmerksam an, nickte. »Bei der Verfolgung der Scioa’tael habt ihr das Bandwasser überschritten. Habt Dryaden getötet. Und jetzt vergelten die Dryaden Gleiches mit Gleichem. Krieg.«
»So ist es, Herr, Ihr nehmt mir das Wort aus dem Munde. Krieg. Es war immer Kampf auf Leben und Tod, aber jetzt ist es ganz schlimm. Ein großer Hass ist zwischen denen und uns. Ich sag es Euch noch mal, wenn Ihr nicht müsst, reitet dort nicht hin.«
Rittersporn schluckte. »Das ist es ja eben« – er richtete sich im Sattel auf, rang sich eine kriegerische Miene und eine entschlossene Haltung ab –, »dass ich muss. Und ich werde hinreiten. Sofort. Abend hin, Nebel her, man muss los, wenn die Pflicht ruft.«
Jahrelange Übung tat das Ihre. Die Stimme des Troubadours klang schön und bedrohlich, streng und kalt, in ihr klangen Stahl und Tapferkeit. Die Soldaten schauten ihn mit aufrichtiger Verwunderung an.
Der Anführer schnallte eine flache hölzerne Flasche vom Sattel ab. »Ehe Ihr aufbrecht, nehmt einen Schluck Schnaps, Herr Sänger. Nehmt einen tüchtigen Schluck von dem ...«
»Dann stirbt sich’s leichter«, fügte der andere, wortkarge mürrisch hinzu.
Der Dichter nahm einen Schluck aus der Flasche. »Der Feigling«, teilte er würdevoll mit, sobald er mit dem Husten fertig war und wieder Luft bekam, »stirbt hundert Tode. Der Tapfere stirbt nur einmal. Aber Frau Fortuna lächelt den Tapferen und verachtet die Feiglinge.«
Die Soldaten betrachteten ihn mit noch größerem Staunen. Sie wussten nicht und konnten nicht wissen, dass Rittersporn die Worte eines Heldenliedes zitierte. Noch dazu eines, das jemand anders verfasst hatte.
»Und damit« – der Dichter zog aus dem Wams einen kleinen Lederbeutel, in dem es klimperte, »lasst mich für die Eskorte danken. Ehe ihr in die Feste zurückkehrt, ehe euch wieder der strenge Dienst in die Arme schließt, kehrt in einer Schenke ein und trinkt auf mein Wohl.«
»Danke, Herr.« Der Anführer errötete ein wenig. »Ihr seid freigebig, aber wir ... Verzeiht, dass wir Euch alleinlassen, aber ...«
»Macht nichts. Lebt wohl.«
Der Barde schob das Hütchen keck aufs linke Ohr, trieb das Pferd mit der Ferse an und ritt die Schlucht hinab, wobei er die Melodie von »Hochzeit in Bullerlyn« pfiff, eines berühmten und außerordentlich unanständigen Herrenliedes.
»Und da hat der Kornett in der Feste gesagt«, hörte er noch die Worte des Mürrischen, »dass das ein Schmarotzer ist, ein Feigling und Arschloch. Dabei ist das ein kriegerischer und kühner Herr, wenn auch ein Verseschmied.«
»Stimmt«, antwortete der Anführer. »Ängstlich ist er nicht, kann man nicht sagen. Er hat nicht mal mit der Wimper gezuckt, ich hab’s gesehen. Und pfeift sich noch eins, hörst du? Ho, ho ... Hast du mitgekriegt, was er gesagt hat? Dass er ein Dilpomant ist. Keine Angst, zum Dilpomanten ernennen sie nicht den Erstbesten. Man muss Köpfchen haben, um Dilpomant zu
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