Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)
ermutigt hat, nicht länger zu schweigen.
In den Tagen danach saß ich nächtelang am Schreibtisch, versuchte das zu Papier zu bringen, was zwanzig Jahre meines Lebens dominiert hat. Ich weiß nicht, ob ich mir damit meine Erlebnisse tatsächlich »von der Seele« schreiben kann. Manche Passagen in diesem Buch waren für mich so quälend, dass ich tagelang unfähig war, meinen Alltag zu bewältigen. Noch einmal meiner Würde beraubt, noch einmal geschlagen, gedemütigt, misshandelt. Die Angst wurde wieder zum Dauerzustand.
In diesen Phasen half mir ein Satz, den ich bereits an anderer Stelle dieses Buches niedergeschrieben habe. Stetes Wasser höhlt den Stein. Stete Angst höhlt die Seele. Ich weiß nicht, ob meine Seele eines Tages wieder heil sein wird. Die Narben werden bleiben. Genau wie das dunkle Gedankenlabyrinth, in das ich mich immer wieder verirre. Das Gefühl, vom Leben betrogen worden zu sein.
Für mich ist es ein langer Lernprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Die Fähigkeit zu erlangen, mir selbst zu vertrauen und mich anderen gegenüber zu öffnen. Meine eigenen Bedürfnisse zu erkennen – und sie wichtig zu nehmen. Die Tür zu meinem Inneren aufzuschließen, nicht ein Leben lang eine Gefangene des Traumas zu bleiben. Sondern endlich wieder unbeschwert lachen und lieben zu können.
Vielleicht hilft meine Geschichte dabei auch denen, die schweigen, eine Stimme zu geben. Denen, die die Kraft verloren haben, zu kämpfen. Denen, deren Hoffnung auf Gerechtigkeit und Verständnis zerplatzt ist wie eine Seifenblase. Wenn dieses Buch dabei helfen kann, dass sich Opfer und deren Angehörige ein bisschen weniger einsam fühlen, bin ich dem, was ich mir wünsche, ein großes Stück näher gerückt. Und wenn es mit gelänge, dass sie aufhören, sich selbst dafür zu hassen und für das verantwortlich zu machen, was ihnen widerfahren ist, wäre das ein großer Sieg.
Jede Kinderseele, der das, was ich erlebt habe, erspart bleibt, ist diesen Kampf wert.
Mich schickt dieser Kampf nun noch einmal durch die Hölle. Gemeinsam mit Trixi stehe ich unter Anklage. Über sieben Stunden saßen wir unserem einstigen Zuhälter gegenüber, mussten ihm in die Augen sehen und uns anhören, was er alles von sich gab. Am Abend erlitten wir beide einen Nervenzusammenbruch, wegen Prozessunfähigkeit wurde das Verfahren vertagt. Wegen dieses schwebenden Verfahrens konnte ich nicht alles, was vorgefallen ist, benennen. Ich hoffe dennoch, dass wir eines Tages Gerechtigkeit erfahren werden.
Dass Thomas und Arndt am 10. Dezember 2012 vom Vorwurf der üblen Nachrede und Verleumdung freigesprochen wurden (übrigens von jenem Richter, der einst von »Sumpfgequake« gesprochen hat), macht mir Mut. Ich bin bereit, diesen Weg zu Ende zu gehen. Ich gehe ihn erhobenen Hauptes und Tausende namenlose Opfer gehen ihn mit mir. Ich kenne die Hölle und weiß um ihre Feuer.
Mehr verbrennen kann ich nicht.
Dank
Ich danke meinem Rechtsanwalt Christian Braun, der mich seit mehr als zwölf Jahren begleitet und mich als Opfer aus Überzeugung vertritt. Auch dem Verein Karo e. V. und namentlich Cathrin Schauer. Ohne ihre Unterstützung während der Prozesszeit und darüber hinaus wäre vieles für mich nicht zu schaffen gewesen. Danke, dass ihr an meiner Seite steht und diesen schweren Weg mit mir geht.
Den beiden Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt möchte ich ebenfalls danken. Dafür, dass sie so viele dunkle Ecken dieses Falles ausgeleuchtet haben. Von Herzen sage ich danke für euren Mut, an meiner Seite für die Wahrheit zu kämpfen. Und für die wertvolle Erfahrung, die ich durch euch machen durfte: nämlich, dass wir Opfer nicht allein sind.
Den Ullstein Buchverlagen gilt mein Dank dafür, dass ich meine Geschichte veröffentlichen konnte und dadurch die Möglichkeit habe, viele Menschen zu erreichen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Geschichte auch den Betroffenen eine Stimme verleihen konnte, die nicht den Mut hatten aufzustehen. Dass ich andere Menschen vielleicht dazu bewegen kann, nicht wegzuschauen. Einer allein kann nicht viel bewirken, aber gemeinsam sind wir stark.
Von Herzen bedanken möchte ich mich bei Bettina Eltner und Heike Gronemeier – für die sehr emotionale und persönliche Zusammenarbeit an diesem Buch. Es hat mir trotz des schweren Inhalts Spaß gemacht, mit euch zu arbeiten. Und zu guter Letzt möchte ich all jenen danken, die mich in den letzten zwanzig Jahren auf meinem Lebensweg begleitet haben.
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