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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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Männern verband.
    Der Oberstaatsanwalt hakte nach: »Frau Kopp, haben Sie überhaupt eine Ahnung, welches Ausmaß, welche Bedeutung Ihre Aussage hat? Sind Sie sich sicher?«
    »Ja«, sagte ich bestimmt, »es gibt Gesichter, die vergisst man nie.«
    Dies findet sich ebenso wenig im Protokoll wie die Tatsache, dass die Existenz mehrerer Lichtbildmappen in Frage gestellt wurde.
    Aber die Bemerkung, die mir an jenem Tag richtig den Boden unter den Füßen weghaute, war Folgende. Der Oberstaatsanwalt sagte tatsächlich zu mir: »Frau Kopp, was Sie getan haben, ist nichts Schlimmes. Prostitution ist nicht strafbar, Sie haben nichts Schlimmes getan.«
    Ich habe etwas getan ? Nicht sie haben uns etwas angetan ?
    Es war vollkommen absurd, ein schlechter Witz, ein verdammt schlechter. Wo um Himmels willen war ich hier?
    Diese »Prostituierten-Nummer« war etwas, das sich durch sämtliche Verfahren und Vernehmungen zog. Aber jedes Mal traf sie mich, als wäre es das erste Mal. Als ich 2009 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagte, sprach ich diese Demütigung explizit an: »Zum Schluss möchte ich noch ganz deutlich sagen: Die Staatsanwaltschaft Dresden bezeichnete uns öffentlich als Ex-Prostituierte. Ich fühle mich als Opfer schwerster sexueller Gewalt und Ausbeutung. Mit der Bezeichnung Ex-Prostituierte wird uns mehr oder weniger unverhohlen unterstellt, alles freiwillig getan zu haben. Damit verhöhnt man uns und andere Opfer, würdigt uns auf das Unerträglichste herab, verletzt unsere Menschenwürde. Mit solchen Demütigungen setzt man das Werk der Täter auf andere Weise fort.«
    Die Worte des Oberstaatsanwalts klangen mir die ganze Fahrt über in den Ohren. Hämisch, zynisch, verachtend. Nur langsam, wie in Zeitlupe, sickerte die Bedeutung der Worte in mein Bewusstsein ein, eine alles zersetzende Säure.
    Ich sah aus dem Fenster nach draußen in die Dunkelheit, Tränen stiegen mir in die Augen. Die Lichter der entgegenkommenden Autos verschwammen, sie spiegelten sich in meinen Tränen. Wie Perlen reihten sie sich auf meinem Handrücken auf, kleine glitzernde Kugeln. Mein Freund Pierre hat später ein Lied darüber geschrieben, über das traurige Glitzern in meinen Augen. »Das Glitzern, das ich immer in deinen Augen seh, funkelnde Sterne in einem See.«
    In den Tagen danach hatte ich einen schweren depressiven Schub. Ich schwankte zwischen Wut und Verzweiflung, in die sich Ohnmacht und Angst mischte. Mein Anwalt beantragte gleich nach der Vernehmung Zeugenschutz für mich. Abgelehnt, ohne Begründung. Ein einziger Satz, der ganz unten auf einer neuerlichen Vorladung stand, angesetzt für den 19. Februar 2008.
    Mein Therapeut war entsetzt, er wollte mich am liebsten aus gesundheitlichen Gründen für vernehmungsunfähig erklären. Die erste Befragung hatte die alten Wunden wieder aufgerissen und mir neue zugefügt. Gleich bei unserer ersten Sitzung nach Dresden war ich in Tränen ausgebrochen, hatte immer wieder gesagt, wenn man mir nicht glaube und so wenig Interesse an der ganzen Wahrheit habe, würde ich für immer die Prostituierte bleiben, als die man mich hinstellte.
    Ich erlitt eine Re-Traumatisierung, schlief kaum noch, verbrachte die Nächte in meinem Lesezimmer oder starrte stundenlang auf das Feuer im Kamin. Ich brachte keinen Bissen herunter, mein Arzt verordnete mir hochkalorische »Astronautennahrung«. Er verschrieb mir auch Tranxilium, ein starkes Beruhigungsmittel, damit ich nach den Flashbacks schneller zur Ruhe kommen würde. Ich nahm das Mittel nur, wenn es gar nicht mehr anders ging und ich völlig erschöpft war. Ich wollte einen klaren Kopf behalten und meinen Alltag irgendwie meistern, was mir allerdings schwerfiel. Es war alles zu viel. Die Krebsdiagnose, die Probleme in meiner Ehe, die Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit.
    Ich kreiste stundenlang um die Frage, ob ich erneut aussagen sollte. Hatte Zweifel, dass ich damit den richtigen Weg beschritt. Fallen und wieder aufstehen.
    Ich wusste, dass mich jede neuerliche Konfrontation an meine Grenzen bringen würde. Aber schweigen? Nein, das konnte und wollte ich nicht mehr. Ich hatte mir schon einmal vorgeworfen, versagt zu haben. Mein Schweigen wäre ein erneuter Triumph für meine Peiniger. Wenn ich redete, wenn die Welt da draußen von den Mädchen vom Jasmin erfahren würde, stünde ich nicht mehr allein. Ich weiß, dass sich das Rad des Lebens für einige von uns dauerhaft in die falsche Richtung gedreht hat. Die in

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