Die Zeit, die Zeit (German Edition)
lautete seine Begrüßung.
Von Enzo hatte Betty auch ihre Leidenschaft für Automobile. Sie begleitete ihn an den Genfer Autosalon, fuhr mit ihm zum Nürburgring und konnte mit technischen Daten von Sportwagen um sich werfen, von denen Taler noch nie gehört hatte – Porsche 918 RS Spyder, Audi e-tron, Mc Laren MP 4-12 C .
Ihre Arbeit erledigte sie mit einer beängstigenden Beiläufigkeit. Sie konnte ihm ihr Leben erzählen, telefonieren, Kaffee trinken oder Magazine durchblättern und dabei fehlerlos Belege erfassen oder Zahlungseingänge verbuchen, als handle es sich um ein besonders einfaches Kreuzworträtsel.
Als er an diesem Morgen sein Büro betrat, war sie schon da. Bisher hatte er versucht, vor ihr einzutreffen, um nicht auf seine kleinen Rituale zwischen Ankunft und Arbeitsbeginn verzichten zu müssen: Fenster aufreißen, ein paar Minuten in den Hof hinunterstarren, Jackett in den Schrank hängen, Computer starten, zum Kaffeeautomaten schlendern, vor dem Bildschirm den doppelten Espresso in kleinen Schlucken trinken und dabei die online-Zeitung überfliegen.
Aber diesmal hatte er sich verspätet. Poison erfüllte den Raum, das Fenster war zu – Betty war zugempfindlich, bereits drei Blasenentzündungen allein in diesem Jahr. Sie saß am Telefon und winkte ihm verschwörerisch zu, ohne ihren Satz zu unterbrechen.
Daher kürzte er sein Ankunftsritual ab und machte sich an die Arbeit.
Der Vormittag zog sich dahin. Kübler brachte die Post und machte seine halb anzüglichen Bemerkungen zu Betty. Sie ging wie immer darauf ein und verdrehte wie immer die Augen, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er würde unter einem Vorwand ein zweites, vielleicht auch ein drittes Mal kommen.
Um zehn ging Betty in die Pause. Er nutzte die Gelegenheit, um frische Luft hereinzulassen und Wachtmeister Giovanni Marti anzurufen.
»Ich habe neue Fotos von dem Mopedfahrer«, eröffnete er ihm.
Marti schien einen Moment zu brauchen, um zu verstehen, von welchem Mopedfahrer er sprach. Was Peter Taler in seinem Verdacht bestätigte, dass die Polizei den Fall ad acta gelegt hatte.
»Der Mopedfahrer auf Lauras Foto, Sie erinnern sich. Ich habe es Ihnen neulich gebracht. Ein Ciao, übrigens.«
»Ich weiß.«
»Ach.«
»Und das neue Foto?«
»Knupp hat es gemacht. Es zeigt das abgestellte Moped und den Fahrer bei den Türklingeln. Soll ich es Ihnen mailen?«
»Selbes Moped, selber Fahrer?«
»Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Aber Ihre Spezialisten vielleicht. Ich schicke es Ihnen jetzt.«
Taler meinte, er hätte einen unterdrückten Seufzer vernommen.
»Und? Angekommen?«
Ein paar Sekunden später bestätigte Marti die Ankunft der Nachricht.
»Haben Sie das Bild vor sich?«
»Moment.« Marti hatte offenbar nicht die Absicht gehabt, es jetzt gleich anzusehen. Es dauerte wieder einen Augenblick, bis er sagte: »Hm, ja, könnte derselbe Mann sein. – Muss aber nicht. Danke für die Information, ich halte Sie auf dem Laufenden.«
»Ich Sie auch.«
Danach buchte Taler wieder Lieferantenrechnungen. Bis zwölf Uhr hatte er die Verbindlichkeiten von Feldau & Co. auf etwas über siebenhundertzwanzigtausend erhöht. Er nahm den Umschlag mit dem Plan der Apfelbäume aus der Mappe, wünschte Betty guten Appetit und machte sich auf zu Bernoulli.
Der IT -Verantwortliche saß vor drei Bildschirmen und löffelte aus einem Plastikbehälter Salat aus Pasta, Gurken, Schinken und Mayonnaise.
»Hast du einen Moment?«, erkundigte sich Taler.
Der IT -Mann nickte und spülte den Hörnlisalat mit einem Schluck Cola runter. Taler bemerkte die Mayonnaise-Spur, die am Flaschenhals zurückblieb.
»Kennst du eine Software, die das kann?« Er hielt ihm die beiden transparenten Bilder des Apfelbaums hin. Er hatte sie am oberen Bildrand mit Klebeband zusammengeheftet.
Bernoulli nahm ihm das Blatt wortlos aus der Hand und studierte es. »Was ist das? Kunst?«
»Eine Art Vorher-Nachher eines Apfelbaums. Einundzwanzig Jahre später.«
»Wozu soll das gut sein?«
Die Frage brachte Taler kurz in Verlegenheit. Schließlich antwortete er: »Einfach so. Es muss doch nicht immer alles für etwas gut sein.«
Bernoulli sah ihn skeptisch an. Diese Weltsicht war ihm fremd. Er griff zum Hörnlisalat und stopfte sich den Mund voll. Taler wartete geduldig, bis er geschluckt hatte.
»Eine Software, mit der du Fotos überlagern kannst? Jedes anständige Fotoprogramm kann das.«
»Nenn mir das einfachste.«
Nach dem Besuch bei
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