Die Zeit, die Zeit (German Edition)
Verbuchen und bezahlen.«
»Schon«, lächelte sie, »nur: Die Lieferanten haben zwar einen Stamm, aber auf der Lieferantenliste finde ich sie nicht. Es gibt auch keinen Lieferantenrahmenvertrag mit ihren Namen, keine Lieferantenbewertung, keine Qualitätssicherungsvereinbarung. Stell dir vor: Die drei sind im Lieferantenmanagement überhaupt nicht erfasst. Deshalb dachte ich, weil du es ja warst, der für die drei einen Kreditorenstamm errichtet hat, weißt du bestimmt mehr. Daher wollte ich erst mal dich fragen, bevor ich Gerber damit belästige.«
Ohne seine Antwort abzuwarten, ging sie zurück an ihren Platz.
Sie hätte auch noch lange auf eine Antwort warten können: Taler fiel keine ein.
Erst als sie eins obendrauf setzte und nebenbei bemerkte: »Ach ja, du sollst Enzo anrufen, er hat Schwierigkeiten mit dem Liefertermin«, fragte er: »Wann geht eure Maschine nach Zypern?«
Betty sprang auf, fiel ihm um den Hals und sagte: »Ich wusste es, du bist ein Riesenschatz.«
Als er an diesem Abend nach Hause kam, war das Gerüst vor seinem Wohnblock weg. Das Braun der Fassade sah etwas verschossen aus, und an einigen Stellen prangten Verputzschäden. Zwei Gärtner waren dabei, die Rabatten zu rekonstruieren.
Angela überwachte die Arbeit. Taler ging zu ihr. Sie hielt ihm ein Mäppchen mit Fotos und Plänen hin. Es waren die von der Fassade. »Siehst du den Fleck dort? Im dritten Stock, rechts unter dem Fenster?«
Taler sah ihn. Wie ein Wasserfleck. Die Kontur hell, fast weiß, in der Mitte ein dunkler Farbverlauf.
Angela zeigte auf das Foto mit den eingezeichneten Fassadenschäden. »Der Fleck ist zu weit rechts.«
Taler verglich das Bild mit der Wirklichkeit. Er konnte keine Abweichung feststellen.
»Es ist nicht viel. Denk dir eine Verlängerung des rechten Fensterrahmens dazu.«
Taler schloss ein Auge und hielt das Foto mit gestrecktem Arm vor sich.
»So, und jetzt hier.« Sie verlängerte den Fensterrahmen auf dem Foto mit dem Rand des Mäppchens. Und tatsächlich, die Linie verlief näher am Fleck.
»Das ist doch deine Wohnung, die untere. Können wir das rasch messen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie auf den Hauseingang zu.
Peter Taler folgte ihr und führte sie in seine Wohnung. Sie trug eine weite olivgrüne Arbeitshose, die mit einem Gurt um ihre magere Taille festgezurrt war. Aus einer der vielen Taschen fischte sie einen Rollmeter. Sie zog den Vorhang zur Seite, öffnete das Fenster und kletterte auf das Sims. Sie schien schwindelfrei zu sein. Im Gegensatz zu Taler, der sie unbeholfen am Hosenbein festhielt.
Sie streckte sich nach dem Flecken und begann zu messen. »Notier«, befahl sie, und Taler war gezwungen, das Hosenbein loszulassen und die Maße aufzuschreiben.
Als Angela wieder herunterkam, sagte sie: »Du musst Betrio sagen, dass er das korrigieren soll. Ich kann es nicht. Der schmeißt mich raus. Hast du ein Glas Wasser?«
Als er mit dem Glas aus der Küche kam, stand sie am Fenster und sah auf die Straße hinunter. Auch bei Knupp war das Gerüst weg. Der Graupelputz der Fassade war gelb mit einem Stich ins Grau. Betrios Mitarbeiter hatten mit borstigen Pinseln eine Mischung aus Asche und Dispersion von oben in die Graupeln gestupst, um Verschmutzung und Verwitterung zu simulieren.
Scholters Haus war ebenfalls in den Zustand von vor einundzwanzig Jahren zurückversetzt. Die bemalte Fassade war jetzt der übrigen angepasst. Die gleiche Farbe, aber durch die Reinigung ein wenig frischer. Die Fensterläden waren grün gestrichen, aber die Maler hatten auf die noch frische Farbe eine ganz dünne Schicht Mattlack gesprüht, um sie etwas verschossen aussehen zu lassen. Auch der Garten war so gut wie fertig, und der Spielplatz sah wieder aus wie auf den Fotos.
Nur das Haus der Hadlaubers war noch ein Fremdkörper in diesem Tableau aus den neunziger Jahren.
»Wie das wohl aussehen wird am Tag danach?«, fragte Angela versonnen.
»Glaubst du, es könnte anders aussehen?« Taler war der Gedanke nicht neu.
»Ich weiß es nicht, niemand weiß es. Aber möglich wäre es doch. Jede Ursache hat eine Wirkung. Wenn du jetzt nachträglich eine Ursache änderst, müsste das doch zu einer anderen Wirkung führen. Es verändert den Lauf der Dinge. Oder nicht?«
Taler hatte noch immer das Glas für Angela in der Hand und trank jetzt selbstvergessen einen Schluck. »Das genau ist die Frage: Verändert es den Lauf der Dinge? Und falls ja – was ist dann mit dem Jetzt?« Wieder nahm er
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