Die Zeit, die Zeit (German Edition)
exzentrisch noch verrückt. Herr Knupp ist ein Kerbelianer.«
»Ein was?«
»Und du bist auch einer.«
Taler suchte nach Worten und versuchte, dies mit einem langen, ungläubigen Kopfschütteln zu tarnen.
Bis Angela sagte: »James Lee Buttonpond.«
Peter hörte mit dem Kopfschütteln auf und sah ihr in die Augen. Sie deutete ein Lächeln an. »Ich bin auch eine.«
»Du bist Kerbelianerin?«
Sie nickte, jetzt wieder ernst.
»Was für ein Zufall.«
»Nicht ganz. Ich habe einen Tipp bekommen.«
»Was für einen Tipp?«
»Dass hier eine ganz große Sache läuft.«
»Von wem?«
»Es gibt nicht viele von uns. Das spricht sich schnell herum.« Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Vase. Taler beugte sich wieder zur Kamera. »Nur ein bisschen mehr nach links. Ein bisschen, habe ich gesagt!«
Angela korrigierte den Fehler, Taler drückte auf den Auslöser.
»Ihr wollt diesen elften Oktober neunzehneinundneunzig noch einmal stattfinden lassen, so ist es doch?«
»Nicht wir. Er will das.« Und nach kurzem Zögern fügte er hinzu. »Ich bin kein Kerbelianer.«
»Und doch hilfst du ihm dabei?«
»Ich bin zwar kein Kerbelianer. Aber ich wäre gerne einer. Ich würde viel darum geben, wenn sie recht hätten. Wenn ich ehrlich bin: Ich würde alles darum geben.«
Das junge Mädchen, dieses halbe Kind, das man nur wegen seiner Piercings überhaupt wahrnahm, sah ihn aus weisen Augen an und sagte: »Du glaubst nicht daran, aber du tust das alles in der Hoffnung, dass du dich irrst.«
»Es ist meine einzige.«
20
»Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.« Betty hatte sich auf die Kante von Talers Schreibtisch gestützt. Die Armbeugen durchgedrückt, die Innenseiten ihrer nackten Arme ihm zugewandt und die Brüste noch ein wenig einschüchternder als sonst.
»Das wäre das erste Mal«, antwortete Peter Taler.
Sie antwortete mit einem übertriebenen Lachen. Dann sagte sie: »Es geht um meine Ferien.«
Taler hob erstaunt die Brauen.
»Also um deine. Also um unsere.«
Taler roch den Braten. »Ich kann meine nicht verschieben, falls es darum geht.«
»Siehst du, das habe ich Enzo auch gesagt. Wegen dem Film. Peter hat deshalb in dieser Zeit Ferien eingegeben, habe ich gesagt, weil dann der Film gedreht wird. Unser Pech, dass dann ausgerechnet Schulferien sind.«
»Aber ihr habt doch keine Kinder?«
»Wir nicht. Aber meine Schwester. Zwei. Beide schulpflichtig. Sie und ihr Mann haben mit zwei befreundeten Paaren in Zypern eine Traumvilla gemietet. Direkt am Meer, Pool, Jacuzzi, alles. Und jetzt ist eines der Paare ausgefallen. Schwangerschaftskomplikationen.«
»Tut mir leid, es geht nicht.«
»Nur die erste Ferienwoche. In der zweiten, bei Drehbeginn, bin ich zurück und löse dich ab. Und du hängst einfach deine Woche hintendran.«
»Es geht nicht, Betty. In der letzten Woche vor Drehbeginn werde ich gebraucht. Ich habe es versprochen. Ich würde dir gerne helfen, glaub mir. Aber es geht nicht. Sonst jederzeit…«
»Okay, okay, war ja nur eine Frage. Vergiss es.« Sie ging zurück zu ihrem Schreibtisch und blieb ungewöhnlich still für den Rest des Tages.
Es war die letzte Septemberwoche. Am Freitagabend begannen seine Ferien. Am Samstag reiste die Familie Hadlauber ab nach Kanada. Und am Montag würden die Teams von Wertinger und Betrio im Gustav-Rautner-Weg einfallen. Zehn Tage hatten sie Zeit für die endgültige Verwandlung. Es durfte nichts dazwischenkommen.
Aber es kam etwas dazwischen:
Am nächsten Morgen, seinem vorletzten Arbeitstag, lagen auf seiner Tastatur drei Rechnungen. Eine für Fertigbeton von Knupp & Widler, eine für Armierungseisen von Illulaura und eine für diverse Pflanzungsarbeiten von Garten Wertinger. Aus den Stempeln und Visa, die sie trugen, ging hervor, dass sie verbucht und ihre Bezahlung ausgelöst waren. Alle von PTA , Peter Taler.
Es handelte sich um die letzte Rechnung von Wertinger in der Höhe von achtundvierzigtausend. Taler hatte ihn gebeten, auch die noch nicht abgeschlossenen Arbeiten bereits zu verrechnen. Die beiden anderen dienten dazu, die beiden Konten für die bevorstehenden Zahlungen an Betrio und die Straßenbauer zu alimentieren.
»Was ist damit?«, fragte er und hielt die Rechnungen in die Höhe. Betty, die stumm vor dem Bildschirm saß, wandte sich um. »Ach ja, die.« Sie stand auf und trat neben ihn. »Wenn du in den Ferien bist, und es kommen solche Rechnungen: Wie handhabe ich das?«
Taler spürte seinen Puls. »Wie alles:
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