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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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dem Haus kamen, stand schon, etwas verloren, die zwanzig Jahre jüngere Nachfolgerin an ihrer Stelle.
    Wertingers Leute waren dabei, die schweren Äste und Stammteile auf die Brücke des Lastwagens zu laden, und Knupp unterschrieb einen Lieferschein, den ihm einer der Gärtner hinhielt. Taler trat gerade auf die Straße, als er eine Frauenstimme hörte: »Hallo! Peter!«
    Vor seinem Haus bei den Briefkästen stand ein leuchtend blauer Sportwagen, dessen Beifahrertür jetzt aufging. Betty stieg aus, deutete wie eine Showmasterin auf das Auto und schmetterte: »Tatatataaaa!«
    Jetzt stieg auch Enzo aus. »Und? Was sagst du? Ist er nicht ein Bijou?« Er begann, begeistert und detailliert den Fiat Bertone zu erklären.
    Der Dieselmotor von Wertingers Lastwagen sprang an. Betty blickte auf und sah ihm nach. Dann hörte sie wieder Enzos Ausführungen zu.
    Taler wäre es lieber gewesen, sie hätte Wertingers Lastwagen nicht gesehen.
    Knupp gesellte sich zu ihnen. Erst als er in einer von Enzos seltenen Atempausen sagte: »Ja. Genau so hat er ausgesehen«, bemerkten sie die Anwesenheit des alten Mannes.
    Menü zwei war Wienerli mit Kartoffelsalat und schlappem Gurkensalat mit zu viel Dill. Dazu hatte Taler ein großes Glas Mineralwasser bestellt.
    Er saß allein an einem kleinen Tisch in der Nähe der Geschirrrückgabe, den Blick fest auf den Teller gerichtet, um nicht den Eindruck zu erwecken, er suche Gesellschaft.
    Die fünfzehn Monate als Witwer hatten ihn zum Einzelgänger gemacht. Die Arbeitskollegen hielten noch immer Distanz zu ihm. Vielleicht nicht mehr so sehr aus Scheu oder Pietät wie früher, sondern inzwischen eher aus Gewohnheit. Doch er konnte immer noch mühelos signalisieren, dass er in Ruhe gelassen werden wollte.
    Deshalb war er erstaunt, als eine Stimme fragte: »Ist hier noch frei?«
    Es war Betty. Sie hielt ein Tablett und sah auf ihn herunter. Taler warf unwillkürlich einen Blick ins Personalrestaurant. Es war um diese Zeit nicht einmal halb besetzt. Er deutete auf den Stuhl, so einladend wie es ging.
    Betty hatte den großen Fitness-Salat gewählt, Taler befürchtete schon, dass sie mit einem ihrer Lieblingsthemen anfangen würde, dem Abnehmen. Aber sie saß ihm ungewöhnlich wortkarg gegenüber.
    Taler war bereits fertig und sah ihr dabei zu, wie sie sorgfältig und systematisch ihren Salat verzehrte. Auf einmal blickte sie von ihrem Teller auf und sagte: »Dieser Wertinger scheint gut im Geschäft zu sein.«
    »Wieso?«, fragte Taler, obwohl er sofort begriffen hatte, worauf sie hinauswollte.
    »Der ist bei der Überbauung Waldberg dick drin. Und von euch scheint er auch Aufträge zu bekommen, habe ich gesehen. Arbeitet er auch an der Filmsache?«
    »Keine Ahnung. Das läuft über die Filmausstatter.«
    »Ich dachte, das läuft über dich. Wie die Autos. Ich hol mir ein Dessert, und du?«
    Taler winkte ab. Er ging zurück ins Büro. Auf Bettys Schreibtisch, zuoberst auf ihren Kreditoren, lag eine Rechnung von Garten Wertinger. »Diverse Bepflanzungsarbeiten CHF 26345.–«.
    »Jetzt soll doch tatsächlich dieses Haus auf alt gemacht werden«, schimpfte Frau Gelphart. »Stecken da auch Sie dahinter?« Sie war noch in der Wohnung gewesen, als er nach Hause kam, obwohl sie um diese Zeit normalerweise das Abendessen für ihren Mann zubereiten musste.
    Taler gab seine Standardantwort: »Es ist für einen Film.«
    »Schöner Film, für den man etwas hässlicher macht, als es war.«
    »Nachher«, beschwichtigte Peter, »wird es wieder so, wie es war. Oder schöner.«
    Frau Gelphart wischte mit einem Lappen über den längst sauberen Tisch. »Es gibt Leute, die sagen, das ganze Theater sei gar nicht für einen Film. Sie behaupten, der alte Knupp will einfach, dass alles wieder so wird wie damals, als seine Frau noch lebte. So sehr hängt er noch immer an ihr.« Und dann fügte sie hinzu: »Hätte besser zu ihren Lebzeiten mehr an ihr gehangen.«
    Taler horchte auf. »Wie meinen Sie das?«
    Sie polierte weiter an der Tischplatte herum. »Er verstand sich sehr gut mit gewissen Nachbarn, damals. Nachbarinnen, sollte ich besser sagen.«
    »Mehreren?«
    »Einer, vor allem.« Wieder machte sie eine Kunstpause. »Wer das wohl alles bezahlt.«
    »Die Filmproduktion, wer sonst?«
    »Wie gesagt: Nicht alle glauben an diesen Film.«
    »Wer zum Beispiel nicht?«
    Frau Gelphart faltete mit großer Sorgfalt ihren Lappen zusammen. »Kennen Sie Frau Gerstein in der Vierzig B?«
    Taler schüttelte den Kopf.
    »Ihr Sohn

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