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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.«
    Ich lehnte mich zurück, wartete auf ihre Reaktion. Das Ping meines Zippos, ein tiefer Zug am Zigarillo und ein Lächeln ohne viel Anstrengung erfüllten die Stille des Raumes.
    Sie sah mich eine ganze Weile stumm, ohne eine Miene zu verziehen, an. Dann kritzelte sie emotionslos ihren Namen unter das Gutachten, das wenige Minuten später auf dem Tisch Oberhammers landen und meine Freistellung aus dem Dienst für ein Jahr befürworten würde. Sie stand auf, packte die Unterlagen zusammen und reichte mir die Hand. Ich erhob mich ebenfalls und war gespannt, was sie sagen würde.
    »Wir sehen uns in einem Jahr wieder. Ich wünsche Ihnen gute Erholung.«
    Bingo. Ein Ruck durchfuhr meinen Körper und ich verspürte einen Hauch, nein, einen Windstoß, der nach Freiheit schmeckte.
    Sie ging und gab Heinlein die Klinke in die Hand, der die ganze Zeit über gespannt auf dem Gang gewartet hatte.
    »Und, wie ist es gelaufen?«, fragte er ungeduldig.
    »Geschafft. War aber ein hübsches Stück Arbeit.«
    »Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll.«
    »Du hast mir doch dazu geraten, ansonsten hätte ich ganz gekündigt.«
    »Trotzdem finde ich es nicht gut, dass du dich vom Acker machst. Lässt mich einfach alleine zurück. Dabei haben wir doch so gut zusammengearbeitet.«
    »Schorsch, jetzt hör auf. Ich weiß noch genau, wie du mich damals am Flughafen in Frankfurt abgeholt hast. Da hättest du mich am liebsten gleich in die nächste Maschine zurück nach Genua verfrachtet.«
    »Kein Wunder. Wer so blasiert daherkommt wie du seinerzeit, kann gleich wieder ab. Da fackeln wir gar riet lang rum.«
    »Dann hast du jetzt ja, was du wolltest.«
    »Jetzt hör auf, so mein ich’s doch gar nicht.«
    »Wie sonst?«
    »Du hast dich verändert. Aus dem Arsch von damals …«
    »Na, sag schon.«
    »Du blöder Affe, du weißt genau, was ich sagen will.«
    »Nee, echt nich.«
    »’n echter Kumpel halt.«
    »Ouh, Schörschle«, bemühte ich die letzten Brocken Fränkisch, die ich noch beherrschte, legte den Arm um seine Schultern, nahm ihn mit hinaus auf den Weg zum Diensthabenden, um Marke, Ausweis und Waffe abzugeben, und versprach ihm dabei: »Weißt du, ich mach jetzt erst mal ein paar Tage richtig Urlaub. Dolce far niente.«
    »Was?«
    »Ja, nix halt. Die Italiener nennen das sogar eine Kunst.«
    »Die spinnen. Nix schaffen, wie soll denn das Kunst sein.«
    »Genau so, wie wenn du den ganzen Tag an ’nem Strand in Frankreich liegst und von kleinen Französinnen träumst. Und das Tag für Tag. Sonst nix.«
    »Woher weißt du das mit meinen Französinnen?«
    Es gab da nur einen Haken. Ab heute war ich zwar frei und ungebunden, aber ich war blank wie eine Kirchenmaus.
    Alles, was meine Brieftasche noch ausspuckte, waren lumpige 150 Euro und eine goldene Diners, bei der ich nicht mal im Traum daran denken sollte, sie noch ein letztes Mal einzusetzen. Mein Konto war geräumt bis in alle Tiefen der Kreditwürdigkeit. Die mahnende Post hatte ich im Briefkasten stecken lassen, um zumindest den Eindruck zu erwecken, dass ich auf Reisen war, falls einer der Geldeintreiber mal vorbeischauen sollte.
    So saß ich am Mainkai in einer angenehmen Frühlingssonne, kurz bevor sie über der Häuserzeile am Zeller Berg untergehen sollte, und blickte den Fluss hinunter. Um mich herum liebeshungrige Pärchen, Omas und Opas in stiller Eintracht sowie einige Skater, die Kreise vorm Biergarten am Alten Kranen zogen. Ein Bild für vergilbte Ansichtskarten und ihre fremdsprachigen Käufer, die Freunden und Familien in aller Welt einen Eindruck vom schönen barocken, aber auch braven Würzburg vermitteln wollten. Ich hätte gern mit einer dieser Briefmarken getauscht, um ein paar Stunden später im Flugzeug aus dem Postsack zu klettern.
    Verlottert wie der letzte Penner stieg er vom Kahn. Das Schiff trug den Namen Lisa und fuhr Kohlen unter niederländischer Flagge mainaufwärts. Gestützt auf einen Wanderstab, der ihm bis zum Kopf reichte und sich am Ende einem Kreis gleich wand, dankte er dem Kapitän und schlug das Kreuzzeichen mit feingliedriger Hand über dessen Haupt. Dann drehte er sich um und schleppte sich geradewegs auf mich zu. Ein dürres Klappergestell, aber fast zwei Meter groß, wenn er sich nicht bückte. Er ließ sein linkes Bein seltsam einknicken, sobald es eine kritische Beuge erreicht hatte, und zog es dann abrupt nach, den Wanderstab stets einen Schritt voraus.
    Über die Schultern

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