Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
über mein Haupt.
Nachdem ich ein paar Gläser im exklusiven Rahmen eines Papstempfangs zu mir genommen hatte, ließ mich Alvarez in die vatikanischen Gärten bringen. Ich wartete eine ganze Weile, bis er endlich auftauchte.
»Tut mir Leid, Kilian«, sagte er, »aber daran muss ich mich erst gewöhnen, dass jeder etwas von mir will.«
»Und ich, dass du jetzt Papst bist. Wer hätte das gedacht«, antwortete ich.
»Ich habe den Kardinälen gedroht, den Papyrus zu veröffentlichen, wenn sie nicht die Worte Jesu befolgen. Zuerst waren sie wie erschlagen, dann keimte ein letzter Widerstand auf, bis Kardinal Veroni die Idee einbrachte, mich als nächsten Papst vorzuschlagen. Er meinte, wenn ich sie schon erpresse, dann soll ich doch den Job gleich selber machen. Mal sehen, wie lange ich das durchhalten würde.«
»Was geschieht jetzt mit dem Papyrus?«
»Er ist gut aufgehoben.«
»Das heißt, du willst ihn nicht veröffentlichen?«
»O doch, irgendwann schon, wenn die Zeit reif dafür ist. Bis dahin ist er gut aufgehoben. Ich habe gerade einen vertrauenswürdigen Boten, den guten Ninian, in geheimer Mission damit losgeschickt. Wer weiß, wie lange ich noch lebe. Feinde habe ich mir ja genug gemacht. Sie lauern an jeder Ecke, bereit zuzuschlagen, wenn es ihnen befohlen wird. Ein Menschenleben gilt da nicht viel, selbst das eines Papstes nicht.«
»Fürchtest du sie?«
»Ja und nein. Auf der einen Seite habe ich das Amt nur unter der Voraussetzung angetreten, dass ich die Worte unseres Herrn Jesus Christus befolgen und sie Schritt um Schritt in dieser Kirche umsetzen werde. Dazu braucht es Macht, und die hat nun mal leider nur der Papst. Auf der anderen Seite freue ich mich auf diese Aufgabe. Kannst du dir vorstellen, wie diese Gemeinschaft des Herrn in ein paar Jahren aussehen kann?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
»Es wird ein großes Experiment werden. Ich wünschte nur, dein seliger Namenspatron Kilian hätte das noch erlebt. Er wäre wie ein echter Ire aufgesprungen, hätte sein Pint in einem Schluck geleert, bevor er eine schöne Frau in den Arm genommen und mit ihr bis zum Morgen getanzt hätte. Dann aber hätte er sich beeilen müssen, damit er rechtzeitig zum Morgengebet zurück ist.«
Wir beide mussten lachen bei der Vorstellung.
»Wieso hast du seinen Namen angenommen?«, fragte ich.
»Gibt es einen besseren, der mehr Freude im Glauben ausstrahlt, als der unseres alten Freundes?«
»Ich denke nicht. Es war eine gute Wahl.«
Es war Zeit, und ich erhob mich. »Ich werde dich jetzt wieder mit deinen Gästen feiern lassen. Zu Hause wartet jemand auf mich. Um genau zu sein, sind es drei.«
»Drei Frauen?«
»Nein, nur eine. Die anderen sind Freunde.«
»Frauen«, sagte Alvarez nachdenklich, »das wird einer meiner ersten Beschlüsse sein. Es wird allerhöchste Zeit.«
Ich wollte schon gehen, als mir doch noch die eine, entscheidende Frage einfiel, die mir auf der Seele brannte.
»Was steht nun eigentlich in diesem Papyrus geschrieben?«
»Ich habe eine Kopie hier im Vatikan. Du bist eingeladen sie mit mir zu lesen und, was noch entscheidender ist, die Botschaft des Herrn in die Welt zu tragen.«
»Ich, ein Missionar der Kirche? Beim besten Willen …«
»Du wärst erstaunt, glaube mir.«
»Später, vielleicht. Bis dahin warte ich ab, ob du deine Pläne tatsächlich in die Tat umsetzt oder …«
»Du meinst, die Macht würde mir den Kopf verdrehen?«
Ich nickte. Alvarez blickte zu Boden, suchte etwas. In einem achtlos weggeworfenen Stück Papier fand er es. Er nahm es auf, zerknüllte es zu einem kleinen Ball und legte es auf eine Bank.
»Feuer«, befahl er. Mein Zippo schnappte auf und zündete. Die Flamme verzehrte das Papier.
»Sic transit gloria mundi – so schnell vergeht der Ruhm der Welt«, sagte er.
Ich verstand, er musste sich beeilen.
So auch ich. Ich umarmte ihn und machte mich auf den Weg.
»Kilian!«, rief er mir nach.
»Ja?«
»Komm nächste Woche zur Beichte. Ich wette, dein Konto ist randvoll.«
*
Es war ein schöner Tag – hell, klar und warm. Genauso, wie ich mir meine weitere Zukunft vorstellte. Es würde eine gute Zeit werden, dessen war ich mir sicher, selbst wenn es im Moment nicht danach aussah. Mein finanzielles Tief und die drohende Arbeitslosigkeit würden aber bald der grauen Vergangenheit angehören. »Der Wille ist der Schlüssel zum Erfolg«, hörte ich meine innere Stimme sagen. Und sie hatte Recht. Ich besaß genug davon, um nicht den Kopf in den Sand
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