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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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redete immer weiter, und sie hörte ihm zu. Er wollte nichts von ihr, überhaupt nichts. Ihre Berührung war ohne Obertöne oder falsche Zwischentöne. Und es genügte ihr, dazusitzen, ihm zuzuhören, ihn zu betrachten und die Gewalt seiner Liebe zu teilen. Die Liebe, die er für seine Schwäne hatte.
    Sie saß auf dem Kai neben Roses, bis der Professor herauskam und von der obersten Stufe der Labortreppe nach ihr rief. Sie verließ Roses mit aufrichtigen und unnötigen Entschuldigungen: Er wunderte sich nicht über ihr Weggehen. Die Menschen traten und gingen aus seinem Leben ohne sichtbaren Grund. Sie kehrte zu ihrem Stuhl und der Rolle Filtermaterial zurück und trug beides hinauf in das Laboratorium. Sie kehrte fast mit einem sichtbaren Schaudern zu dem Computer, zur Startbühne, zu den Beschleunigern, den Pulsgeneratoren, der verrückten Uhr und … dem Professor zurück. Zu dem Professor, den sie respektierte und dem sie diente. Ein Mann, der zu alt war, um Sex zu treiben, bei dem sie sich so abgemüht hatten. Und der sie deshalb mit verstecktem Schamgefühl kalt behandeln würde, solange sie gemeinsam an diesem Projekt arbeiteten. Sie kehrte zu ihrem Leben zurück, zu ihrer Arbeit und zum Sex, zur Wirklichkeit. Und sie akzeptierte das alles mit fürsorglicher, heiterer Gelassenheit.
    David Silberstein, der die Fore Street überquerte und aus der Entfernung bemerkte, wie sie die Hand auf Roses’ Schulter legte, ehe sie ging, sah in dieser Geste weder Sorgfalt noch Heiterkeit noch gesunden Menschenverstand. Er sah nur – durch einen schwachen grünen Dunst hindurch – ein kleines Mädchen, das man vom Spiel nach Hause rief. Ein kleines Mädchen, das unter dem angeschwemmten Unrat am Strand etwas gefunden hatte, das ihm gefiel – ein Stück Glas etwa, dem es den Glanz eines Diamanten zusprach. Er beobachtete das Stück angeschwemmten Treibgutes, nachdem es wieder sich selbst überlassen blieb, und bemerkte, wie verletzlich es war. Und er sagte sich (mit klugem, heiterem, gesundem Verstand), daß er sich seinetwegen wirklich keine Sorgen zu machen brauchte.
    Und etwas was er sich da sagte, war wahr. Denn von allen hier im Dorf versammelten Menschen war Roses Varco bei weitem das verwundbarste Geschöpf.

 
III
     
    Manny Littlejohn liebte es, auf Schienen zu reisen. Er liebte es so sehr, daß er einen eigenen Zug besaß, rosafarben, von seiner eigenen rosafarbenen Lokomotive gezogen. Das war ein kostspieliges Vergnügen, denn wenn man die Hauptstrecken von anderen Zügen räumen ließ, kostete das natürlich Geld. Doch Manny Littlejohn geizte nie mit dem Geld, wenn es um seinen eignen schlechten Geschmack ging. Zwar kam man mit diesem Verkehrsmittel nur langsam voran, und die Stationen waren lange nicht so günstig gelegen wie die Haltepunkte der Hubschrauber. Aber Manny Littlejohn war reich genug, um Zeit nicht länger als Geld zu betrachten. Er betrachtete Geld vielmehr als bequemes Mittel, um Zeit zu kaufen. Außerdem war dieses Verkehrsmittel altmodisch. Littlejohn war selbst altmodisch und alt genug, um sich einen Teufel darum zu scheren, was andere für modern hielten. In dieser Zeit war Modernität sowieso ein umstrittener Begriff.
    Wenn man Manny Littlejohns Vitalität kennt, sein Genie für den neuartigen Ansatz, seine organisatorischen Fähigkeiten, seinen Stil und vor allem seine Furcht, daß die Gesellschaft um ihn herum zusammenbrechen könnte, ehe er selbst es tat, dann versteht man das Experimentier- und Forschungsdorf Penheniot. Die meisten Leute verstehen weder ihn noch das Dorf. Doch das Ganze ist vollkommen logisch. Das Dorf, wenn auch größer und besser, war sein rosafarbener Zug. In ihm wollte er eines Tages (zum frühestmöglichen Termin) reisen.
    Doch an diesem bestimmten Nachmittag hatte Manny Littlejohns Zug – nicht die Metapher, sondern der Zug, in dem er tatsächlich saß – die Hauptstrecke vor ungefähr fünfzig Minuten verlassen und bummelte das Geleis hinunter, das parallel zum St.-Kinnow-Fluß verlief. Rechts stieg die bewaldete Hügelwand steil empor, nur ab und zu von einer winzigen Schlucht aufgespalten, in die sich ein Sturzbach über moosige Steinterrassen und zwischen Farm- und Brombeerzweigen hindurch ergoß. Links lag das Hochwasserbett des Flusses, ebenfalls durch steile, mit Eichen bewachsene Hügel begrenzt. Nirgends war ein Haus in Sicht, nur eine kleine Schar Möwen flatterte über dem Flußbett, vorübergehend aufgescheucht von rollenden Rädern. Diese Etappe

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