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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Wochen wurde selbst das Wasser faulig. Er wartete eine Idee länger, als es seiner Würde zukam; doch kein glücklicher Zufall passierte. Das Dorf hatte keinen Abgeordneten geschickt. David Silberstein hatte das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht.
    Er kehrte zu seinen Kreaturen, die sich am Ende des roten Läufers wie zu einem Gruppenbild versammelt hatten, zurück.
    »Es ist ein schöner Tag heute«, sagte er. »Der Fluß scheint belebter als sonst.«
    Milde Worte, milde Stimme, mildes Lächeln. Jemand würde dafür büßen müssen.
    »Krancz«, sagte er zu seinem Leibwächter, »Sie kommen mit mir. Der Rest kann sich inzwischen mit einer geeigneten Beschäftigung die Zeit vertreiben. Ich schlage vor, daß der Stationsvorsteher etwas gegen den Schmutz auf seinem Bahnhof tut. Max sollte alles noch einmal in Ruhe überdenken und sich nicht einbilden, daß ich mich so leicht hinsichtlich meiner Finanzen täuschen lasse.« Er hob entschuldigend eine Augenbraue, um den Vorwurf etwas abzumildern. »Helga sollte ihre anatomischen Lehrbücher büffeln. Sie scheint unter der Zwangsvorstellung zu leiden, daß alle Muskelschmerzen nur durch die Massage des Penis beseitigt werden können. Und Manuel sollte ein paar Tonleitern üben. Der Paganini gestern abend war lausig.« Er tätschelte den Arm des Gitarristen, um ihm zu zeigen, daß er es nicht so meinte, wie er es sagte. »Die anderen widmen sich dringenden Aufgaben. Ich werde mir später anhören, wie weit sie damit gekommen sind.«
    Er winkte Krancz zu sich, und sie schritten nebeneinander energisch zum Ausgang. Die Gruppe hinter ihm löste sich erst auf, als Littlejohn ihr den Rücken zudrehte. Dann spritzten sie auseinander. Nur der Stationsvorsteher blieb zurück, um den roten Seidenteppich einzurollen. Vergeblich zermarterte er sich den Kopf, was er denn noch tun konnte, um seinen makellos sauberen Bahnhof noch makelloser zu machen.
    Draußen auf der Straße blieb Manny Littlejohn kurz stehen. Wenn er ging, tat er das rasch. Er hoffte nur, daß man nicht bemerkte, wie ihm der Atem dabei knapp wurde.
    »Ich habe mich schlecht aufgeführt, Krancz. Sie hätten mich unterbrechen müssen.«
    »Schlecht aufgeführt?« Ein unmöglicher Gedanke. »Ich glaube nicht, Sir.«
    »Ich hasse Speichellecker. Ich weiß, daß ich mich schlecht aufgeführt habe, und Sie wissen es auch.«
    Der Leibwächter verbeugte sich steif – eine europäische Geste, die man nach Belieben auslegen konnte. Manny Littlejohn deutete sie als formgerechte Entgegennahme einer Entschuldigung eines Arbeitgebers und setzte sich wieder in Bewegung, zufrieden und versöhnt mit sich selbst.
    Sie schritten zwischen den schmalbrüstigen, eiskremfarbenen Häusern dahin, Krancz immer einen Schritt hinter seinem Arbeitgeber, immer auf dem Sprung. Touristen drängten sich auf den Gehsteigen, teils nackt, teils klugerweise ihre nicht ganz perfekten anatomischen Stellen mit hellen Sommerkleidern bedeckend. Drogenberauschte Gruppen saßen auf Türschwellen und sangen von blauen Bäumen, tanzenden Bergen und menschlichen Elefanten und Strömen, die bergaufwärts flossen. Ein Mann mit weißen Brüsten stand unter der Tür eines Maxi-Sex-Ladens. Es war ein friedlicher Nachmittag, heiter und warm. Und die Menge war so glücklich, daß sie nicht einmal drei bewaffnete Polizisten auspfiffen, die ein Paar daran erinnerte, daß vor kurzem das Gesetz in Kraft getreten war, das den Coitus auf öffentlichen Plätzen verbietet.
    Manny Littlejohn marschierte energisch durch die buntgemischte Menge und verachtete sie mit gewohnter Höflichkeit.
    Vor der Kneipe zu den Goldenen Brüsten (die Ketchup-Flaschen aus Plastik, die sich der Wirt hatte extra anfertigen lassen, wurden ihm schon in der ersten Woche nach Eröffnung des Schankbetriebes gestohlen) wurde Manny Littlejohn auf eine Bewegung in der Menge aufmerksam. Krancz wollte vorwärtsstürzen, doch Littlejohn winkte ihn zurück. Er sah jetzt deutlich, was vorging. Ein freundlicher Fischer in blauem Hemd und Blue Jeans bahnte sich einen Weg durch die Menge müßiger Touristen.
    »Gründer! Was für eine Überraschung, Sie hier zu treffen, Sir!«
    »Ja. Obwohl etwas verspätet, ist es immer noch ein erfreulicher Zufall.«
    »Nun, Sir, wir sollten eigentlich – ich meine, wir wollten eigentlich bei der Regatta zuschauen und uns auf die Terrasse neben dem Bahnsteig stellen. Doch Merv dachte, wir hätten noch genug Zeit und könnten uns hier rasch einen Drink

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