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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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gepanzerten Lieferwagens. Er war schon im Begriff, die Leiter zum Boot hinunterzusteigen, verharrte jetzt aber auf der obersten Sprosse. Er hoffte, es würde das sein, was er vermutete.
    Die Wirkung der Sirene bestand vorwiegend darin, daß sie mit zunehmender Stärke den Hörer lähmte. Sie löste ein Gefühl aus, das jenseits der Grenze zur Hysterie lag, das die Sinne überwältigte. Als der gepanzerte Wagen auf den Platz fuhr, der sich an den Stadtkai anschloß, war die Menge bereits von den mißtönenden Lauten gebannt. Das Sonnenlicht zitterte, die Straßenoberfläche pulsierte wie ein Trommelfell, die Häuser schwankten, und die Menschen schwenkten lautlos die Arme. Littlejohn schloß die Augen. Das war tatsächlich ein überwältigender Lärm.
    Und es war, was er sich erhofft hatte. Es war die Trompete des Reichtums. Manny Littlejohns Reichtum. Der Lieferwagen – er kannte ihn gut, hatte seinen Entwurf persönlich überwacht – lieferte die wöchentliche Portion an Reichtum, die das Forschungsdorf Penheniot zum Leben brauchte. Eine Portion, die sich nicht von der Steuer absetzen, nicht als Prestige erklären, nicht mal als Protzerei vor Freunden (Freunden?) verwenden ließ. Eine Portion, die sich nur mit privaten Begriffen rechtfertigen ließ, als Ausgabe für ein Privatvergnügen und vielleicht auch für eine leise, versteckte Hoffnung. Eine Portion, auf perverse Weise durch das Blöken eines Panzerwagens symbolisiert.
    Als der Wagen auf dem Kai hielt, löste sich das schwarze Rettungsboot drüben von der Mündung des Penheniot Pill auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens. Operation 4c des Handbuches, das die Sicherheit regelte, wenn der Gründer sich richtig erinnerte. Als die mit Stahlhelm und Masken versehenen Transportbegleiter den Wagen rückwärts an den Kairand manövriert und die Münzsaugleitung bereitgelegt hatten, lag das Boot bereits längsseits. Ein Sicherheitsagent des Dorfes nahm das bewegliche Mundstück der Münzsaugleitung und schloß es an der versiegelten Münzladeluke des Bootes an, während die anderen Männer Wache standen. Innerhalb von fünf Sekunden war die Saugleitung in Betrieb, und Münzen prasselten durch die Leitung. Innerhalb von neunzig Sekunden war der Geldaustausch beendet. Die stählerne Saugleitung wurde wieder pneumatisch im Panzerwagen verstaut, und das Boot entfernte sich rasch vom Stadtkai. Keine zwei Minuten hatte die Operation gedauert. Erst dann brach der lähmende Sirenenton ab.
    Die Leute konnten sich wieder bewegen. Sie konnten auch ihrem Zorn wieder freien Lauf lassen. Während das schwarze Boot in der Mündung von Penheniot Pill verschwand, erhob sich drohendes Murmeln auf dem Kai. Als Littlejohn sich umdrehte, um zu sehen, was in seinem Rücken vorging – obwohl er es bereits ahnte –, drängte sich Krancz schon durch die Menge. Er hatte vorher eine Lauerstellung auf der Parkfläche über dem Kai eingenommen. Die Panzerwagenbesatzung saß bereits wieder im Führerhaus, und der Wagen setzte sich eben in Bewegung.
    »In das Boot, Sir«, drängte Krancz, »es wird Ärger geben.«
    »Ich sehe das selbst, Krancz. Aber ich …«
    »Die können sehr gemein werden, Sir«, sagte der Mann, den er James nannte. »Es sind nicht die Einheimischen, Sir, denn die verdienen ja an dem Dorf. Es sind die Touristen. Sie …«
    In diesem Moment schaltete der Fahrer wieder die Sirene ein. Ein Fehler, weil sich eine Menge, die sich bereits in Bewegung gesetzt hat, nicht ein zweitesmal auf die gleiche Weise fangen läßt. Im Gegenteil, diesmal hatte der Lärm die entgegengesetzte Wirkung. Er lähmte nicht, er brachte zur Raserei.
    Manny Littlejohn wollte dableiben und zusehen. Alles konnte jetzt passieren. In einem von David Silbersteins Berichten (der dazu geführt hatte, daß man die Aufbauten der Lieferwagen elektrisch auflud) stand, daß die Menge einmal einen Panzerwagen zum Rand des Kais getragen und ins Wasser geworfen hatte. Alles konnte jetzt passieren. Er wollte das miterleben.
    Doch Krancz zog ihn am Ärmel, und drei Sicherheitsagenten drängten ihn zur Leiter. Er war ein alter Mann. Er konnte nicht mehr Massen mit der Kraft seiner Persönlichkeit besänftigen. Außerdem waren in jüngster Zeit zu viele vielversprechende Helden, Alte und Junge, bei diesem Versuch umgekommen. Ein einfacher Mob konnte durch eine laute Stimme, durch eine Hysterie, die größer war als die der Menge, umgedreht werden. Doch ein Mob im Drogenrausch kannte keine Schranken. Er brüllte am

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