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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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genehmigen.«
    »Regatta?« Das letztemal war es eine Sammlung für Witwen ertrunkener Fischer gewesen. »Ich habe keine Regatta gesehen.«
    Der Mann starrte auf die Zehen seiner schweren Fischerstiefel. »Es tut mir sehr leid, daß wir Sie nicht rechtzeitig abgeholt haben, Sir.«
    »Einen Fehler macht jeder einmal, James.« Er hoffte, sich damit die Anhänglichkeit des Mannes einzuhandeln, so daß er in Zukunft mehr als seine bezahlte Pflicht tat … »Sie heißen doch James, nicht wahr?«
    Das ganze Dorf wußte, wie stolz der Gründer auf sein Namens- und Personengedächtnis war. »Richtig, Sir«, sagte James, den seine Freunde unter dem Namen Maurice kannten.
    »Und Ihr Freund Mervyn? Wo ist der abgeblieben?«
    »Merv?« – er war so begierig, Auskunft zu geben – »Merv ist im Goldenen Pinsel und unterhält – äh trinkt sein Glas leer.«
    Es war zu spät. Der Zungenschlag war geschehen. Unterhaltungen mit Fremden war streng verboten. Eine Unterhaltung war der erste Schritt zu einer Bekanntschaft, und eine Bekanntschaft war der erste Schritt zum Verrat. Dorfbewohner, die redeten – mit irgend jemand außerhalb der Dorfgemeinschaft – waren nicht mehr tragbar. Manny nickte seinem Leibwächter zu, und Krancz glitt durch die Menge wie ein Ultraschallbohrer. James blieb nichts anderes übrig, als stehenzubleiben. Durch die Gasse, die Krancz hinter sich gelassen hatte, konnte Manny Littlejohn die Theke sehen, die übereinandergetürmt synthetischen Schinkenbrötchen und Merv im blauen Überzieher. Er plauderte mit dem Mädchen hinter der Theke. Untragbar. Als Krancz die Kneipe betrat, sah Merv ihn im Spiegel hinter dem Tresen. Er konnte sich nicht einmal mehr umdrehen, als Krancz schoß. Er glitt zu Boden. Sein Glas rollte über die Metallisee-Kacheln. Das Mädchen beugte sich interessiert vor.
    »Nur ein Beruhigungsschuß.« Krancz sagte das vage in den Raum hinein, falls jemand sich über die Störung beschweren wollte. Doch niemand wollte. Mann hatte so viel über Geschäfte zu reden, über Joints und Fixes und noch verschwiegenere Beschäftigungen. Krancz sammelte Mervs Körper vom Boden. Seine Leiche. Und warf sie über die Schulter.
    »Hat er für seinen Drink bezahlt, Ma’am?«
    »Nein, nein, ich glaube nicht, daß er das hat.« Das Mädchen hinter dem Tresen war entzückt über so viel Zuvorkommenheit. »Achtzehn Schilling fünf. Ja, genau achtzehn Schilling und fünf Pennies.«
    Krancz bezahlte auf den Penny genau und trug Merv dann auf die Straße hinaus. Das Mädchen schob das Geld in ihre eigene, private Tasche.
    »Sie sind Leibwächter und kein Hilfsarbeiter«, sagte Manny Littlejohn. »Geben Sie das an James weiter.«
    Sie setzten ihren Weg durch die Straße fort.
    Der Gründer ging jetzt langsamer, weil er beunruhigt war. Nicht durch den Tod des Mannes, sondern über seine eigene Empfindungslosigkeit dabei. In einer Welt, in der so viele Menschen starben, war es nötig, daß wenigstens einer an die Würde der Persönlichkeit glaubte und für die Unantastbarkeit menschlichen Lebens eintrat. Er fühlte sich kleiner als sonst, weil ihm das Gefühl der Tragik fehlte. Oder jedes Gefühl … Und die Leute hinter ihm, was dachten die wohl? An sich selbst natürlich, wie es diese Sorte Leute immer taten. Es war eine traurige, kranke Welt.
    An der nächsten Ecke, wo die Straße steiler wurde und eine scharfe Biegung um die Fassade des alten Zollhauses herummachte, standen ein paar Polizisten beisammen und warteten darauf, daß etwas passierte. Der Leiter dieser Handvoll Polizisten trat Manny Littlejohn in den Weg und sagte: »Einer Ihrer Männer, Mr. Littlejohn? Hat ein bißchen zu viel gehascht, wie?«
    »Gehascht?« Manny betrachtete den Polizeibeamten mißbilligend. »Meine Männer haschen nie. Das verstößt gegen die Bestimmungen in meinem Dorf. Dieser Mann ist tot. Er starb, genauer gesagt, er wurde in irgendeinem obskuren Café umgebracht. Das Café ist ein paar hundert Meter von hier entfernt. Auf der linken Straßenseite.«
    »Sie sollen Ihren Spaß haben, Mr. Littlejohn.«
    Der Beamte trat zu seinen Leuten zurück. Er hatte seine Pflicht getan. Noch deprimierter (oder doch wieder getröstet?) über die Tücke des Menschen im Verkehr mit Menschen, setzte der Gründer seinen Weg zum Kai fort.
    Der Stadtkai war eine verwirrende, durcheinanderschwirrende Woge von Leuten, Booten und Minicars. Letztere wurden von der Stadtverwaltung unentgeltlich an Touristen ausgegeben, da die Straßenverkehrsordnung

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