Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
sich noch nicht vom großen Sterben erholt. Tatsächlich sind wir nach der Seuche – vor mehreren Dekaden – hierher gezogen; seit Bacons ersten Anweisungen
war schon fast ein Jahrhundert vergangen, und wir brauchten den Platz. Im Lauf der Zeit haben die Brüder sich über einen ganzen Komplex dieser Kavernen ausgebreitet und dabei Tunnel und Gänge gegraben. Wie Maulwürfe mit Tonsuren!« Sie fand den Gedanken offenbar komisch. »Ein idealer Ort, wenn man solch schwere, mit viel Lärm verbundene Arbeit geheim halten will.«
Sie gingen auf die Maschinen zu. Ferron fragte: »Geheim halten? Vor wem?«
Grace zuckte die Achseln. »König Henry sitzt noch nicht lange auf dem Thron. Unsere Brüder haben nicht jahrhundertelang schwer geschuftet, um dem einen oder anderen Anwärter auf die englische Krone Bombarden in die Hände zu geben.«
Ferron nickte. »Uns geht es um höhere Ziele als die Ambitionen von Königen. Wir führen einen Krieg, der alle anderen übertrifft. Ihr habt in diesen Jahrhunderten den richtigen Weg gewählt – Ihr und Eure Vorfahren.« Er hatte seine Fassung wiedergefunden, bemerkte James belustigt.
Nun gingen sie zwischen den Maschinen umher. Sie kamen an Plattformen mit Rädern, an riesigen, stählernen Häusern gleichenden Kästen, stumpfen Kanonen mit klaffenden Mündungen und weiteren exotischen Gebilden vorbei, komplizierten Ansammlungen von Maschinerien ohne klar erkennbaren Zweck. Auf einer Bank lag ein riesiger, skelettaler Flügel, doppelt so lang wie der Körper eines Menschen. Es stank nach Öl und heißem Metall, die Luft war dunstig vom
Dampf, und die arbeitenden Mönche, deren Augen im Halbdunkel groß wirkten, gingen ihnen hastig aus dem Weg.
»Es mag einfach erscheinen, vorgegebene Entwürfe in die Realität umzusetzen«, sagte James. »Allerdings arbeiten wir zum großen Teil auf einer grundlegenderen Ebene, indem wir lernen, die für unsere Maschinen erforderlichen Bestandteile herzustellen. Eine besondere Herausforderung war es, Schrauben und Zahnräder aus so hartem Stahl zu erzeugen, dass sie nicht brechen. Hoch entwickelte Kanonen müssen genau auf die richtige Art und Weise gegossen, geladen, gezündet und gekühlt werden, wenn wir ihre Eigenschaften und die Feuergeschwindigkeit verbessern wollen.«
»Ich verstehe wenig von dem, was ich sehe«, gestand Ferron.
»Die technischen Einzelheiten sind nicht so wichtig«, meinte Grace. »Wir wollen Euch nur zeigen, welchen Umfang die Arbeit hat, die wir hier verrichten. Bei der praktischen Vorführung über Tage werdet Ihr später alles sehen, was Ihr wissen müsst.«
Ferron lächelte dünn. »Eine Vorführung? Darauf freue ich mich schon. Und all das entstammt der fiebrigen Stirn dieses Roger Bacon?«
»Ja – auf Grundlage der Entwürfe und Rezepte im Kodex von Aethelmaer, den wir aus seinem Versteck in Sevilla zurückbekommen hatten …«
Bacon hatte seine Aristoteles-Studien rasch aufgegeben und sich auf heimliche experimentelle Forschungen
gestürzt. Er hatte Studenten und Assistenten rekrutiert, diskret die Meinungen gleichgesinnter Gelehrter in ganz Europa eingeholt und einen Pikarden namens Peter de Maricourt zu seinem domum experimentorum ernannt, und dieser de Maricourt hatte das Konzept für die erste Labor-Manufaktur vorgelegt.
Die Arbeit ging schnell voran. Doch Bacon selbst wurde mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Er war schon immer ein Mann gewesen, der Aufmerksamkeit und Anerkennung benötigte. Er setzte sich für den Erwerb von mehr experimentellem Wissen über das Reich der Natur ein und begann, eine gewaltige Enzyklopädie aller bekannten Wissenschaften zusammenzustellen. Allerdings schuf er sich eine Menge Feinde, indem er seine inbrünstige Verachtung für jene zum Ausdruck brachte, die seine Leidenschaften nicht teilten, und seine Vorgesetzten, die ihn nicht mehr unter Kontrolle zu haben glaubten, ergriffen strenge disziplinarische Maßnahmen gegen ihn. Der stets großspurige Bacon wandte sich über ihre Köpfe hinweg sogar direkt an Papst Klemens. Dessen Tod setzte seinen Ambitionen und seiner Karriere schließlich ein Ende.
Seine Vorgesetzten warfen ihn wegen seiner Disziplinlosigkeit und wegen Häresieverdachts aus der Manufaktur und am Ende sogar ins Gefängnis; sein wirbelnder Verstand blieb dreizehn Jahre lang auf eine Zelle beschränkt. Als er entlassen wurde, war er erschöpft; seine letzten Werke blieben unvollendet.
Ferron hörte sich das nüchtern an. »Aber nach Bacon
haben
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