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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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als ihren Kriegsmaschinen-Traum weiterzuverfolgen; die Logik ihrer Persönlichkeit gebot es. Und Saladin spürte voller Furcht, dass es ihm bestimmt war, ihr zu folgen.
    Die Tür flog auf. Sie zuckten alle zusammen.
    Ein Mönch stürzte herein, hochgewachsen, hager, erregt; die Haare um seine Tonsur standen auf komische Weise vom Kopf ab. Er schien noch keine dreißig zu sein. »Thomas!«, rief er ohne Einleitung. »Freut mich, dich wiederzusehen. Und dies muss Joan aus Jerusalem sein, und ihr Sohn, faszinierend, faszinierend, ihr, die ihr das Rätsel der Zeit an meine Tür gebracht habt, ihr, die ihr glaubt, dass Vergangenheit und Zukunft komplett durcheinandergeraten sind.«
    »Roger …«, begann Thomas.
    Der Mann warf eine Ledermappe auf einen niedrigen Tisch und redete weiter. »Und warum sollte die Zeit auch nicht durcheinander sein? Alles fließt, die Welt ist ein instabiler Ort. Heraklit hat erklärt, es sei ihm nie gelungen, den Fuß zweimal in denselben Fluss zu tauchen, denn er ändere sich mit jedem Moment – versteht ihr? Warum sollten wir uns dann also einbilden, selbst der Fluss der Zeit sei unantastbar und unveränderlich? Vielleicht gleicht er eher dem sagenhaften Mäander in Phrygien, der in jeder Jahreszeit seinen Verlauf ändert und unaufhörlich nach der Vervollkommnung seines platonischen Ideals sucht. Also wird die Geschichte vielleicht immer wieder neu erschaffen und zieht sich durch unser Leben wie ein unsteter Fluss, der bis in alle Ewigkeit eine neue und
vollkommenere Form sucht. Warum nicht, sage ich, warum nicht? Wollen wir an die Arbeit gehen?«
    Joan wandte sich an Thomas. »Wer ist dieser Mensch?«
    »Einer der hellsten Köpfe dieses neuen Zeitalters der Gelehrsamkeit, das ist er«, sagte Thomas.
    »Einer der …«
    »Weshalb ich ihm euer Rätsel vorgelegt habe. Joan, Saladin, das ist Roger Bacon, geboren in Ilchester, ausgebildet in Oxford, jetzt Lehrer in Westminster.«
    »Paris nicht zu vergessen«, warf Bacon ein.
    »Ich habe seine Laufbahn seit seiner Studentenzeit verfolgt – oh, ein Jahrzehnt ist das jetzt her. In Oxford hast du die Klassiker studiert, nicht wahr, Roger?«
    »Sowie Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Mein Lehrer war Robert Grosseteste.«
    »Der Bischof von Lincoln …«
    »Dem wir maßgeblich die Wiedereinführung der Werke der Griechen nach England zu verdanken haben.«
    »Roger hat in Paris gelehrt …«
    »Dort habe ich meinen Magister in Philosophie gemacht. Ich habe Alexander von Hales gesehen und zweimal einen Disput mit Wilhelm von Auvergne miterlebt …«
    Dieses rasante Zwiegespräch war enorm verwirrend für Saladin, der von keinem dieser Gelehrten jemals etwas gehört hatte.
    »Ich betrachte mich derzeit als dominus experimentorum « , erklärte Bacon.

    Joan warf Thomas einen Blick zu. »Was bedeutet das?«
    »Jemand, der die physische Welt studiert«, sagte Thomas, »der an ihr herumbastelt und hofft, dabei mehr über Gottes Wahrheiten zu erfahren.«
    »Ich habe immer ›herumgebastelt‹«, fuhr Bacon fort. »Einmal habe ich eine Kerze und einen Spiegel in einen abgedunkelten Raum gestellt und ins Auge einer Katze geschaut. Hast du so was schon mal probiert, Bruder Saladin?«
    »Kann ich nicht behaupten.«
    »Man sieht einen Teppich aus dunkelroten Blutgefäßen, überlagert von einem goldenen Geflecht. Sehr schön, sehr geheimnisvoll. Mit diesen ersten Beobachtungen hat mein Studium der Optik begonnen. Und wenn man in den Kopf eines Menschen schauen könnte, was würde man dort vorfinden? Aber bisher konnte ich leider niemanden bewegen, lange genug stillzusitzen, damit ich in ihn hineinsehen kann. Tja, was soll’s.«
    »Ich dachte, jegliche Wahrheit wäre in der Bibel zu finden.«
    »Natürlich, und bei den anerkannten Autoritäten der Antike. Ich bin einer der führenden Aristoteles-Kenner in Europa«, sagte Bacon ohne einen Funken Bescheidenheit. »Aber es gibt viele Wege zum selben Ziel, nämlich Gottes Wahrheit. Die Rolle des Naturphilosophen besteht darin, zu erkennen, auf welche Weise sich diese Wahrheit in den Erscheinungen offenbart. Der heilige Augustinus persönlich hat uns gelehrt,
uns nicht selbst zu behindern, indem wir Gottes Wort zitieren, um einer Tatsache der Natur zu widersprechen, weil das nur zeigen würde, dass wir weder das Wort noch die Natur verstanden haben. Experimentieren: Das ist der Weg zu jener tieferen Wahrheit, jener letztendlichen Versöhnung. Jedenfalls gelange ich zunehmend zu dieser

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