Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
nicht wahr? Du bist noch genauso dickköpfig und fantasielos wie schon als Kind.«
»Ja. Ich glaube nämlich, dass du deine Zeit verschwendest. Genau wie ich, scheint es mir.« Er wandte sich zum Gehen.
»Wenn du uns schon nicht helfen willst«, rief seine Mutter ihm nach, »verrate uns wenigstens nicht. Lass nicht zu, dass der Emir uns zwingt, die Arbeit einzustellen. Vertrau mir so weit.«
Er hielt kurz inne. Dann ging er, ohne sich noch einmal umzusehen, auf den Tunnel zu, der an die Luft und ans Licht führte.
XX
Saladin fand London nach seiner dreijährigen Abwesenheit überwältigend. Als er eines frühen Morgens mit Thomas dort eintraf, lag die Stadt unter einer dicken, gelben, stinkenden Nebeldecke. Die Leute liefen mit Kerzen in den Händen umher und hielten sich feuchte Tücher vor Nase und Mund. Auch am Fluss war es nicht besser, und die Schiffe krochen mit Lampen am Bug vorsichtig dahin.
Thomas Busshe führte ihn zur Abtei in Westminster, und sie warteten in einem kleinen Raum, wo ein nervöser junger Novize ihnen gewärmten Wein einschenkte. Dieser Raum wurde von Roger Bacon benutzt, Thomas’ genialem Mönch, und Saladin blätterte müßig in einem Haufen zerlesener Bücher des Gelehrten: eine Grammatik von Donatus, der Trost der Philosophie von Boethius, Aristoteles’ logische Schriften und die Metaphysik mit Kommentaren späterer Autoren – sogar von einem Araber. So viele Bücher, dachte Saladin. Brauchte die Welt die wirklich alle?
Der Novize kam zurück und erklärte, sie müssten noch ein wenig auf Bacon warten.
»Denn wie ich erfahren habe«, sagte Joan, die in den Raum gerauscht kam, »ist heute der Tag für sein
jährliches Bad, und er hat nicht die Absicht, das wegen ein paar zerlumpter Flüchtlinge aus Outremer ausfallen zu lassen.« Sie war elegant gekleidet, in ein langes, karmesinrotes Gewand und eine weiße Rise.
Saladin stand auf und gab seiner Mutter einen Kuss. »Mir kommst du ganz und gar nicht zerlumpt vor, Mutter«, sagte er.
»Die äußere Erscheinung ist alles.« Sie nickte steif. »Ich danke dir für das Geld, das du mir schickst. Ich hoffe, ich verwende es sinnvoll.«
»Du kannst damit machen, was du willst.«
Sie suchte sich mit bestimmten und entschlossenen Bewegungen einen Stuhl und nahm ihren Wein. Ihr Gesicht war noch immer jung, dachte er, noch immer schön; sie war erst fünfunddreißig Jahre alt. Allerdings waren ihre Wangen gerötet. Das zeugte jedoch nicht von Gesundheit, sondern von einer Ungeduld, die sich im Verlauf der langen Jahre ihres Exils in England, wie sie es sah, aufgebaut hatte. Sie musterte ihren Sohn. »Noch keine Gattin? Keine Enkelkinder für mich?«
»Nicht, seit wir uns letzte Weihnachten gesehen haben«, sagte er trocken. »Und keinen Gatten für dich, Mutter?«
»Ein Gatte wäre mir nur im Weg.«
»Er könnte dich mit einem Einkommen versorgen«, bemerkte Thomas.
Joan schnaubte. »Einem Einkommen, das für seine Ziele eingesetzt würde, nicht für meine. Dafür habe ich keine Verwendung.«
Thomas sah sie beide an. »Ihr seid Mutter und Sohn, und doch so verschieden. Saladin findet Zufriedenheit. Er führt ein einfaches Leben; er benutzt seine gottgegebenen Fähigkeiten; langsam und geduldig schafft er sich einen Platz in diesem Land. Er verlangt nichts, und er nimmt nichts übel. Aber du, Joan, bist voller Groll, nicht wahr? Sogar voller Zorn.«
»Zorn?« Ihre Wangen röteten sich noch mehr, ihre Augen funkelten, und ihre Lippen wurden schmal. »Wenn du es sagst. Ihr Geistlichen seid ja so schrecklich klug.«
»Aber Mutter«, sagte Saladin, »worüber bist du so zornig?«
»Was glaubst du wohl?«, fuhr sie auf. »Das hier ist nicht mein Land. Ich verachte die Schwäche dieser abendländischen Christen, die offenbar nicht die Willenskraft aufbringen, die verlorenen Länder – unsere Heimat, Saladin – zurückzuerobern. Ich besitze kein Vermögen und habe keine gesellschaftliche Stellung. Ich werde hier nicht respektiert. Obwohl meine Vorfahren ihr Leben geopfert haben, um das Heilige Land für die Christenheit zu erobern, machen sich die Menschen in diesem Land sogar über meine Sprechweise lustig. Ist ihnen nicht klar, wer ich bin – was ich bin?«
Saladin war traurig. »Und deshalb willst du deine Maschinen bauen? Damit die Leute dich auf andere Weise ansehen?«
Sie starrte ihn so lange an, bis er den Blick senkte.
Aber wenn es stimmte, erkannte Saladin bestürzt,
dann blieb seiner Mutter nichts anderes übrig,
Weitere Kostenlose Bücher