Die Zeitdetektive 01 Verschworung in der Totenstadt
eine etwa mannshohe Öffnung im Gestein.
„Das wird der Eingang zu einem Grab sein“, sagte sie. „Da ist der Kerl rein, wetten?“
„Der Eingang ist offen und nicht bewacht“, erkannte Leon. „Offenbar ist das Grab noch im Bau, aber heute feiern alle.“
„Was will der Priester dann dort?“, fragte Julian.
Kim grinste. „Vielleicht sollten wir das jetzt herausfinden?“
Julian ahnte das Schlimmste. „Du willst doch nicht etwa in das Grab?“
„Doch, genau das!“, antwortete Kim unternehmungslustig. Schon war sie unterwegs.
„Da mach ich nicht mit“, protestierte Julian leise. Aber als er sah, dass Leon und Kija dem Mädchen folgten, überlegte er es sich anders. Er wollte auch nicht allein draußen vor dem Grab warten.
Im Grab war es dunkel und kühl. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Augen der Freunde an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Im Eingangsbereich hatten Künstler begonnen, ein Bild von Anubis an die Wand zu malen. Der Gott mit dem Hundekopf wachte über das Portal zum Reich des Todes. Dahinter führte ein Gang ein Stück bergab. Nach wenigen Metern sahen die Kinder kaum noch was. Ein kleines Tier mit flinken Beinen huschte über Julians nackte Füße. Er unterdrückte einen Schrei. Was war das? Eine Ratte? Oder ein Skorpion? Er wollte es lieber gar nicht wissen.
„Stopp!“, zischte er. „Das hat doch überhaupt keinen Sinn bei dieser Dunkelheit!“
„Quatsch!“, raunte Kim aufgeregt und deutete nach vorn. Und jetzt sah es auch Julian. Ein Stück vor ihnen tanzte ein schwaches Licht.
Vielleicht der Priester mit einer Öllampe, dachte Julian. Vielleicht ein Mörder mit einer Öllampe! Bei dem Gedanken wurde ihm flau im Magen. Aber er lief tapfer seinen Freunden hinterher. Es wurde immer kühler, je tiefer sie in den Berg eindrangen. Es roch modrig. Julian fröstelte. Er tastete zu seinen Füßen nach Kija, konnte sie aber nicht finden.
Nach fünfzig Metern stieß Kim einen unterdrückten Schrei aus. Fast wäre sie in der Dunkelheit gegen den Fels gelaufen. Der Gang schien zu Ende.
„Hier ist nichts. Lasst uns umdrehen“, mahnte Julian. „Draußen wird es inzwischen dunkel sein und wir müssen noch zum Palast zurück.“
„Nein“, widersprach Kim. „Ich will noch nicht aufgeben.“
„Ich auch nicht“, stimmte Leon ihr zu. „Der Priester muss doch irgendwo hin sein.“
„Hier scheint es weiterzugehen“, meldete Kim jetzt. Sie tastete sich an der Wand entlang.
Julian schüttelte den Kopf. Vom Schein des Öllämpchens war nichts mehr zu sehen. Sie waren von vollkommener Dunkelheit umgeben.
Vielleicht wird das hier unser Grab?, durchfuhr es Julian. Panik erfasste ihn, doch abermals ließ er sich nichts anmerken. Auch er tastete sich jetzt am Fels entlang. Plötzlich hörte die Wand auf. Julian vermutete, dass sie in einer Kammer angekommen waren. Aus den Büchern über Ägypten wusste er, dass jedes größere Grab einen Opferraum und eine Gruft hatte, in der die Mumie ruhte. Häufig hatten die Architekten auch so genannte Blindkammern angelegt, um Grabräuber in die Irre zu führen. Manche Gräber waren auch als Labyrinthe gebaut, aus denen es kein Entkommen gab …
„Psst!“, machte Leon in diesem Moment. „Hört ihr das?“
Julian und Kim lauschten angestrengt. Jetzt vernahmen auch sie ein leises Mur
meln. Der Priester musste in ihrer
Nähe sein, aber er war nicht allein!
Die Freunde gingen ein Stück wei
ter durch die Dunkelheit, setzten
vorsichtig Fuß vor Fuß, verließen die
Kammer und gelangten in einen wei
teren Schacht. Hier sahen sie auch
wieder einen Lichtschein. Julians Herz schlug höher. Der Gang führte auf eine weitere Kammer zu, die Stimmen wurden lauter. Unmittelbar vor der Kammer versteckten sich die Freunde hinter einem Felsvorsprung und lauschten. Jetzt spürte Julian endlich wieder die angenehme Wärme von Kijas Körper und ihr weiches Fell.
„Habt ihr gesehen, wie sich Hatschepsut hat feiern lassen?“, rief eine Männerstimme wütend. „Sie hat sich auf eine Stufe mit Amun gestellt! Hatschepsut will ein Gott sein! Aber sie ist eine Frau! Das ist ungeheuerlich!“
Zustimmendes Gemurmel erhob sich.
„Sie hält den wahren Pharao vom Thron fern! Das ist ein Verbrechen!“, wetterte der Mann weiter.
Vorsichtig spähten die Kinder hinter dem Felsvorsprung hervor. Der Priester mit der Narbenhand stand in der Gruft, die mit aufwändigen Malereien verziert war und von mehreren Öllämpchen erhellt wurde. Um den Priester hatten sich zehn weitere Männer
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