Die Zeitdetektive 04 Das Teufelskraut
ganzen frühen Abend warteten die Freunde darauf, erneut aus der Herberge entwischen zu können. Lange Zeit sah es so aus, als ob es ihnen heute nicht gelingen würde, den alten Gottfried zu besuchen. Doch dann gegen acht Uhr half ihnen ein Zufall. Die Schenke, die heute ohnehin nicht so stark besucht war wie an den bisherigen Abenden, leerte sich rasch. Und um halb neun verschwand der letzte Gast.
„Auch gut“, knurrte Wenzel hinter seinem Tresen und wischte sich die Hände an der speckigen Lederschürze ab. „Dann sperre ich eben zu.“
Die Freunde interpretierten das als Aufforderung, sich nach oben auf den Dachboden zu verziehen. Der Wirt unternahm keine Anstalten sie aufzuhalten. Auf dem Dachboden warteten sie noch ein wenig, bis keine Geräusche mehr aus dem Schankraum zu ihnen heraufdrangen.
Dann wagten sie sich wieder hinunter in den ersten Stock. Sie huschten an den Gästezimmern vorbei zum Fenster und kletterten auf das Dach des Stalls. Immer darauf bedacht, keinen Lärm zu verursachen, gelangten die drei sicher auf den lehmigen Boden hinter der Pilgerherberge. Es hatte begonnen zu nieseln.
„Das wäre geschafft“, sagte Julian erleichtert. „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wo genau Gottfried wohnt.“
„Ich glaube kaum, dass es schwierig sein wird, das herauszufinden“, vermutete Kim. „Lasst uns im Dorf fragen. Dort wird man Gottfried sicher kennen.“
Kija stürmte voran. Leichtfüßig flitzte sie durch das Tor der Klosteranlage. Kim fragte den Wächter, der dort stand, nach dem Weg zum Dorf. Der Mann schaute sie verwundert an, deutete dann aber auf den einzigen Weg, der vom Kloster wegführte.
„Immer an der Weschnitz entlang. Das könnt ihr gar nicht verfehlen“, sagte er, ohne den Kindern weitere Fragen zu stellen.
Die Weschnitz entpuppte sich als ein träge dahinströmender Fluss. Der Weg führte zunächst ein Stück bergab durch den Wald. Plötzlich blieb Kim abrupt stehen und drehte sich um.
„Habt ihr das auch gehört?“, fragte sie ihre Freunde. „Was denn?“
„Da haben Zweige geknackt“, erklärte Kim. „Direkt hinter uns.“
„Vielleicht irgendein Tier“, vermutete Leon.
„Ja, vielleicht“, flüsterte Kim. „Aber womöglich hat ein Mensch, der uns nachschleicht, dieses Knacken verursacht.“
„Das bildest du dir bestimmt nur ein“, sagte Julian ebenso leise.
Kim suchte den Wald mit den Augen ab. Langsam kroch die Dämmerung zwischen die dunklen Stämme.
„Da!“, stieß Kim hervor. „Da hat sich etwas bewegt! Ein Schatten!“
„Wo?“
„Da, gleich neben der großen Eiche!“
„Ich sehe nichts“, sagte Julian mit bebender Stimme. „Vielleicht wäre es besser, wenn wir zurückgingen.“
„Unsinn!“, antwortete Leon. „Bestimmt sind wir gleich im Dorf. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren. Kommt!“
Entschlossen ging er voran. Aber auch er blieb wachsam. Immer wieder musterte er aufmerksam den Wald. Zum Glück tauchte bald die erste Bauernkate auf. Die Freunde konnten aufatmen.
Eine junge Frau, die an einem Brunnen Wasser schöpfte, wies den Freunden den Weg zu Gottfried.
„Seine Hütte liegt ein Stück im Wald“, sagte sie. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper und ihre Augen verengten sich. „Was wollt ihr denn von dem?“
„Mal guten Tag sagen“, erwiderte Kim ausweichend.
„Ich glaube dir kein Wort“, sagte die Frau. „Niemand geht einfach so zu Gottfried. Es sei denn, er ist sehr, sehr krank und braucht jemanden, der sich gut mit Kräutern auskennt. Ihr seht nicht krank aus.“
„Warum geht niemand zu ihm?“
Die Frau verzog ihr Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Weil er mit finsteren Mächten im Bunde ist, hört ihr? Mit dem Teufel!“
„Ach wirklich?“
„Aber ja! Er hat kein Weib und lebt ganz allein am Waldrand. Das gehört sich nicht, das ist gegen den Willen Gottes! Das tut nur jemand, der etwas zu verbergen hat. Und außerdem hinkt Gottfried. Das ist die Strafe Gottes für eine Sünde, die er begangen hat!“ Die Frau bekreuzigte sich, nahm den Wassereimer und verschwand in ihrer Kate.
„Sollen wir nicht doch lieber umkehren?“, fragte Julian.
Leon verdrehte die Augen. „Ich kann Gottfrieds Hütte schon sehen. Lasst uns hingehen!“
Kim war Leons Meinung. Also liefen die Freunde auf Gottfrieds ärmliche Behausung zu. Die Kate duckte sich unter den Ästen einer mächtigen Blutbuche. Die Wände der Hütte bestanden aus einem Weiden- und Haselrutengeflecht, das mit einer Mischung aus Lehm, Mist und Stroh
Weitere Kostenlose Bücher