Die Zeitdetektive 04 Das Teufelskraut
zog sie auf. Ein Surren, ein Schrei. Gottfried taumelte rückwärts. Dabei drehte er sich zu den Freunden um, die Hände um einen Pfeil gepresst, der sich tief in seine Brust gebohrt hatte. Stöhnend sackte Gottfried auf die Knie.
Das zauberhafte Kraut
Geistesgegenwärtig sprang Leon auf und warf sich gegen die Tür, die heftig zuknallte. Ein weiterer Schlag gegen das Holz folgte.
Leon ahnte, dass der Schütze einen zweiten Pfeil abgeschossen hatte, der jetzt federnd in der Pforte steckte.
Kim und Julian hockten neben Gottfried. Der Alte hatte die Augen halb geschlossen und murmelte etwas vor sich hin, was niemand verstand.
Aus der Wunde in seiner Brust floss ein dünnes Rinnsal Blut.
„Oh Gott, was sollen wir nur tun?“, fragte Julian hilflos.
„Wir müssen Hilfe holen!“, rief Kim. „Er braucht so schnell wie möglich einen Arzt!“
„Gut, ich laufe zum Kloster“, bot Leon an.
„Nein, du darfst diese Tür nicht öffnen!“, rief Julian voller Panik.
„Keine Panik“, erwiderte Leon und versuchte, ruhig zu wirken. „Ich nehme die andere Tür! Kümmert euch nicht um mich! Ich mach das schon. Bis gleich!“ Er stieß die hintere Tür auf und war verschwunden.
Kim holte zwei Säcke von Gottfrieds Bett und schob sie unter den Rücken des Verletzten.
Mit halb geschlossenen Augen murmelte der Alte: „Danke, aber es macht keinen Sinn mehr. Ich werde sterben.“
„Unsinn“, rief Kim, „gleich kommt Leon mit dem Infirmarius zurück.“
Gottfried schüttelte den Kopf: „Ich bin alt genug, um zu wissen, wann meine Stunde gekommen ist.“
„Was ist mit dem Pfeil? Sollen wir ihn herausziehen?“, fragte Julian. Er wollte etwas tun, um zu helfen, aber er wusste nicht wie.
Gottfried hustete. „Nein“, sagte er dann. „Das würde die Wunde nur vergrößern.“ Seine Stimme wurde leiser, war nur noch ein Flüstern. „Das soll der Infirmarius machen, aber es wird ohnehin nichts mehr nutzen.“
„Hast du einen Verdacht, wer auf dich geschossen hat?“, fragte Kim.
„Nein, ich habe eigentlich keine Feinde“, erwiderte der Alte. „Das dachte ich jedenfalls …“
Plötzlich huschte ein Lächeln über sein angespanntes Gesicht. „Das Kraut dort, das ist vermutlich eine Alraune. Von der Form her ähnelt sie einem Menschen. Sie stammt aus den Ländern südlich der Berge, aus den Ländern am Meer. Man sagt der Alraune magische Kräfte nach. In unserem Land ist sie sehr selten und kostbar. Woher habt ihr sie?“
„Gefunden“, erwiderte Julian. „Beim Kaufmann Furrer.“
„Bei dem Mann, der ermordet wurde? Seltsam …“
Kim knabberte auf ihrer Unterlippe herum. Ihr lag eine Frage auf der Zunge, doch sie überlegte, ob sie diese stellen durfte. Sie gab sich einen Ruck. „Wir haben im Kloster vom Teufelstrank gehört. Und wir wollen …“
Der Alte riss die Augen auf, hob die Hand, um Kim zu stoppen und versuchte sich aufzurichten. Mit einem Stöhnen sank er zurück.
„Dieser Teufelstrank?“, flüsterte er heiser. „Nehmt euch davor in Acht! Im Kloster hält sich schon länger das Gerücht, dass es diesen Trank wirklich gibt! Niemand weiß etwas Genaues. Einige Leute sind ganz verrückt danach. Denn der Trank soll unendliche Macht verleihen. Doch dafür musst du mehr zahlen, als dein Leben je wert sein kann. Du musst dem Teufel deine Seele versprechen!“
„Könnte die Alraune mit dem Trank zu tun haben?“, wollte Julian wissen.
Schwach nickte der Alte. „Gut möglich, denn die Alraune soll ihren Besitzer unverwundbar machen und ihm Glück, Reichtum sowie Gesundheit bringen. Deshalb ist sie auch so wertvoll.“ Wieder hustete der Alte.
„Wann kommen Leon und der Infirmarius endlich?“, fragte Kim verzweifelt. Sie fuhr dem alten Mann über die Stirn. Die Haut fühlte sich heiß an. „Halt durch“, wisperte sie. „Bestimmt kommt gleich Hilfe.“
Gottfried schloss die Augen. Kaum hörbar begann er ein Gebet zu murmeln. Plötzlich hielt er inne. Seine Gesichtszüge entspannten sich und sein Kopf fiel zur Seite.
„Gottfried?“, rief Kim voller Panik.
Der alte Mann antwortete nicht mehr. Er war tot.
Kim nahm Gottfrieds Hand. „Oh, mein Gott“, wisperte sie. „Wo sind wir hier nur hineingeraten?“
Julian blickte zur Seite. Er kämpfte mit den Tränen. In diesem Moment flog die Tür auf. Leon stürmte mit ein paar Männern herein. Einer von ihnen trug eine Mönchskutte. Es war der Infirmarius. Er schob Kim und Julian beiseite und beugte sich über Gottfried. „Zu spät“, sagte der Mönch und
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