Die Zeitdetektive 04 Das Teufelskraut
rüttelte. „He, aufwachen!“ Die Umrisse der Frau wurden schärfer. Ächzend hob Julian den Kopf. Er hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war.
„Was ist passiert?“, fragte die Frau.
Julian wischte sich über die Augen. „Ich, ich weiß es nicht“, stammelte er. „Jemand muss mich niedergeschlagen haben.“
Die Frau war schockiert. „Um Himmels willen, wer tut denn einem Kind so etwas an?“
„Wenn ich das wüsste …“ Julian rappelte sich auf. Ihm war, als säße ein Specht in seinem Schädel und hämmerte mit dem Schnabel in einem wilden Tempo gegen eine besonders empfindliche Stelle. Er griff zu seinem Gürtel … zu seinem Beutel. Er war weg! Die Alraunenwurzeln und Blätter waren ihm geraubt worden! Entsetzt stöhnte Julian auf.
Besorgt sah ihn die Frau an. „Ist alles in Ordnung mit dir? Ich bringe dich nach Hause. Wo wohnst du denn?“
„In der Herberge“, erwiderte Julian. „Aber ich finde schon allein zurück, vielen Dank.“
„Gut, wie du willst“, sagte die Frau, bekreuzigte sich und verschwand in einem der Häuser.
Julian lehnte sich gegen eine Wand und atmete tief durch. Die Alraunen waren weg! Und er hatte keine Ahnung, wer ihn überfallen hatte! Alles war so schnell gegangen. Plötzlich fröstelte ihn. Vielleicht hatte er sogar Glück gehabt, dass er überhaupt noch am Leben war. Denn mit ziemlicher Sicherheit war er gerade in die Hände des Mannes gefallen, der wegen des Teufelstranks schon zweimal getötet hatte!
Das Hämmern in seinem Kopf ließ etwas nach. Schwankend lief Julian zur Pilgerherberge zurück.
Er traf seine Freunde in der Küche. Doch bevor er etwas sagen konnte, herrschte Gertrud ihn an: „Wo hast du nur gesteckt? Und wo ist die Kresse?“
„Die habe ich nicht. Ich bin überfallen worden“, entgegnete Julian.
„Faule Ausrede!“, keifte Gertrud. „Was kann jemand schon von dir Habenichts wollen? Herumgetrödelt hast du! Und meinen Auflauf kann ich jetzt vergessen. Ohne Kresse kein Auflauf! Warte nur, das werde ich Wenzel sagen!“
Doch dazu kam es erst einmal nicht. Irgendetwas zischte und puffte in den Töpfen und Gertrud eilte zur Feuerstelle.
Jetzt hatte Julian Gelegenheit, seinen Freunden zu berichten, was geschehen war.
„Ein Glück, dass dir nicht mehr passiert ist“, meinte Kim. Sie tauchte ein Tuch in kaltes Wasser und kühlte damit den Hinterkopf des Freundes.
„Das tut gut“, meinte Julian dankbar. „Aber es ist unverzeihlich, dass die Alraunen weg sind. Ich hätte niemals allein gehen dürfen.“
In diesem Moment rannte Gertrud an ihnen vorbei zur Tür und riss sie auf, offenbar, um Wenzel von Julians Vergehen zu berichten.
Lärm schwappte in die Küche, als Gertrud nach ihrem Mann rief. Irgendetwas musste vorgefallen sein. Und schon kam Wenzel mit puterrotem Kopf herangestürmt.
„Was ist los, Weib?“
„Das wollte ich gerade dich fragen“, erwiderte Gertrud. „Was bedeutet dieser Tumult?“
„Das geht dich nichts an. Bleib am Herd!“, fauchte er sie an.
„Ich will wissen, was vorgefallen ist!“, beharrte Gertrud.
„Keine Ahnung“, sagte der Wirt unwirsch. „Aber Weiber machen alles immer schlimmer. Also kümmere du dich ums Essen.“
Gertrud brummelte etwas, gehorchte aber.
Die Freunde liefen jedoch hinter Wenzel her, der zum Eingang der Herberge stapfte. Vor dem Haus stand eine Gruppe von Menschen, die heftig diskutierte. Vorsichtig pirschten sich die Gefährten heran. Gerade rappelte sich ein Mönch vom Boden auf. Er wirkte benommen und wurde von zwei Männern gestützt.
„Geht es, Clemens?“, fragte einer der Helfer.
„Aua, mein Kopf“, sagte der Mönch und betastete vorsichtig seinen Schädel.
Kim konnte sich nicht mehr zurückhalten. „Bist du auch überfallen worden?“
Clemens nickte. „Ja, jemand hat mich niedergeschlagen. Es ging alles ganz schnell. Aber wieso sagst du auch?“
Kim deutete auf Julian. „Auch mein Freund hier wurde vorhin niedergeschlagen. Man hat ihm seinen Beutel geraubt!“
Die Augen des Mönches weiteten sich vor Entsetzen. „Nicht zu fassen! Was ist das nur für ein gottloser Geselle!“ Plötzlich schien ihm etwas einzufallen. Hektisch griff er unter seine Kakulle. „Oh, mein Gott!“, rief er. „Mein Schlüsselbund ist weg!“
„Na ja, wenn es nicht mehr ist“, sagte einer aus der Gruppe.
„Dummkopf!“, wetterte Clemens. „Am Bund hängt auch der Schlüssel zum Scriptorium! Es wäre eine Katastrophe, wenn jemand den Schlüssel benutzen würde, um unsere kostbaren
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