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Die Zeitfalle

Die Zeitfalle

Titel: Die Zeitfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Carr
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der Druckschriften stand, wie viele Leute ihren lieben Verstorbenen einen Platz zur Wiederkehr gekauft haben.«
    Jake lächelte. »Ungefähr hundert sind hier, würde ich sagen.«
    »So?« Sie zwinkerte. »Ich hätte gedacht, es wären mehr.«
    »Nein.«
    »Ist es ein Angehöriger, oder ein Freund?« fragte sie unvermittelt. Jake war verdutzt. »Wer? Oh! Ja, ein Angehöriger. Mein Vater.«
    »Bei mir ist es mein Mann, Thomas. Er unterschrieb den Vertrag selbst noch zu seinen Lebzeiten. Gab seine ganzen Ersparnisse dafür aus. Mir blieb nur die kleine Rente.« Sie schüttelte ihren Kopf. »Was mich betrifft, ich muß sagen, ich sehe keinen Sinn darin. Es scheint unschicklich, irgendwie.«
    »Was?«
    »Die Rückrufung, natürlich. Warum würde jemand die Toten zurückhaben wollen? Ich meine, ich hatte meinen Mann gern, wirklich. Aber es wird nicht das gleiche sein, Sie wissen, was ich meine.« Sie legte ihren Kopf auf die Seite und spähte Jake aus einem anderen Gesichtswinkel an. Ihm wurde unter ihrem Blick unbehaglich, und er schaute weg von ihr, in den Raum hinaus.
    »Manche Leute denken vielleicht anders darüber«, sagte er.
    »Aber wo liegt der Sinn? Sie sind nicht lebendig. Sie sind vorbei. Und alles ist vergangen. Sie sind tot.«
    »Nein, das sind sie nicht. Die Rückrufung bringt sie zurück.«
    Sie preßte die schmalen Lippen zusammen und schüttelte ihren Kopf. »Nein, nein, glauben Sie das bloß nicht. Das ist nur, was in den Prospekten steht. Es wird nicht das gleiche sein. Ich weiß es. Ich habe mit Bekannten gesprochen, die sich auskennen. Sie sagen, es sei nur, nun, nur wie er an diesem letzten Tag war. Mein Mann war ein geiziger alter ... also, man soll nichts Schlechtes über die Toten sagen, aber er war ziemlich knickerig. Er wird sich nicht ändern. Er wird sich nicht mal daran erinnern, daß er tot war. Was hat das für einen Sinn? Hängen Sie sich ein schönes Bild von Ihrem Herrn Vater an die Wand, das tut das gleiche. Sie werden sehen.«
    »Ja, das werde ich«, sagte Jake steif.
    Die alte Frau sah ihn listig an. »Sie erwarten wirklich ...«
    Dann brach sie ab und lächelte ein wenig, wie zu sich selbst. »Verzeihen Sie, junger Mann. Ich rede zuviel.« Sie berührte seinen Arm. »Es ist Ihr Vater, und Sie lieben ihn und wollen, daß alles zwischen Ihnen in Ordnung sein soll, nicht wahr? Ich weiß es; mein Sohn war genauso.«
    Sie lächelte wieder, mütterlich und ein wenig unsicher, nickte Jake zu und zog sich zurück. Jake sah ihr nach und fühlte eine Regung in sich, irgendein Gefühl, das fast an die Oberfläche seines Bewußtseins stieg, aber zerbrach, bevor er es identifizieren konnte. Der Gedanke kam, daß er versuchen sollte, mit dem schwarzhaarigen Mädchen ins Gespräch zu kommen, aber dann drängte sich die Erinnerung an ein anderes Mädchen dazwischen, und er schloß seine Augen, lehnte sich gegen die Wand neben dem dünn plätschernden Springbrunnen und wartete auf den Aufruf seiner Nummer.
     
    Es schien, daß er nie etwas in Bewegung bringen konnte. Er hatte dieses Mädchen gewollt, das lange, schlaksige Mädchen mit den blauen Augen und dem weichen braunen Haar. Er hatte sie heiraten wollen und Pläne für sein Leben gemacht, Pläne, die seinen Wert als Schriftsteller und als Mann beweisen würden. Er hatte dieses Mädchen heiraten wollen, aber etwas hatte ihn zurückgehalten; er war nicht sicher gewesen, daß sie ihn nehmen würde. Und er hatte nicht fragen wollen, nicht, solange er zu seinem Vater zurückkehren und versuchen mußte, noch einen weiteren Mißerfolg zu erklären.
    Diese Erinnerung tat weh. Alle Erinnerungen taten weh. Er fühlte sich von seinen Erinnerungen gelähmt; jede von ihnen wirkte auf ihn ein und berichtete ihm von ihm selbst und setzte die Präzedenzfälle für sein Leben. Er war gebunden und bewegte sich nur durch das Gesetz der Trägheit. Wie er sich jetzt bewegte. Weiter und weiter und weiter; einen sehr vertrauten Pfad entlang.
    Das schwarze Mädchen hinter dem schmalen Schreibtisch lächelte zu ihm auf, ein sorgfältig berufsmäßiges Lächeln, und nahm die blaue Computerausweiskarte entgegen, die er ihr reichte. Sie steckte die Karte in die Eingabestation neben ihrem Schreibtisch, beobachtete die Nummern, die über die kleine Mattscheibe zuckten, machte mit dem Kugelschreiber eine Eintragung.
    »Mr. Grant wird sofort kommen, Sir«, sagte sie und zeigte zu einem bogenförmigen Durchgang. »Dort durch und dann rechts.« Sie wandte sich der nächsten

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