Die Zeitfalle
nicht.«
Sein Vater schüttelte den Kopf und murmelte etwas, das Jake nicht verstehen konnte.
»Ich denke, es wird sich verkaufen, Papa. Ich bin davon überzeugt.«
»Du wirst schon wissen, was du tust, Jake.«
»Du billigst es nicht?«
»Es spielt keine Rolle, was ich denke. Es ist deine Arbeit, und dein Leben.«
Jake sagte nichts und nickte. Sein Vater trank einen Schluck von seinem Wein und blickte im Zimmer umher. Er sah das Familienfoto an der Wand, und eine Bewegung ging über seine Züge. Er lächelte. »Nichts hat sich geändert, wie ich sehe. Du hast immer noch das Bild.«
»Ja.«
»Was, drei Jahre ist es her? Nein, sechs sind es jetzt. Eine so lange Zeit, und nichts scheint sich geändert zu haben. Überhaupt nichts.«
»Ich habe alles so gelassen«, sagte Jake.
»Aber warum? Für mich? Sei nicht albern, Jake.«
»Warum nicht? Ich ließ alles so, weil ...« Ja, warum? Warum so? Weil er es so gewohnt war?
»Was wolltest du sagen, Jake?«
»Nichts, Papa.«
»Hmm.« Der alte Mann schlug die Beine übereinander und blickte wieder zum Fenster hinaus. Graugelber Dunst hing zwischen den Wohnblöcken und beeinträchtigte die Sicht. »Das hat sich allerdings geändert; so schlimm war es nicht, als ich es das letzte Mal sah. Ist es wirklich schlechter geworden?«
»Viel schlechter. Manchmal kann man sich draußen kaum aufhalten.«
»Arbeiten diese Filter und Entgiftungsanlagen denn nicht?«
»Mehr oder weniger.«
»Mehr oder weniger.« Sein Vater seufzte. »Nun, Jake – wie soll ich das verstehen? Du mußt ein bißchen deutlicher sein, Junge.«
»Ich meine, manchmal arbeiten sie halbwegs zufriedenstellend, und manchmal tun sie es nicht. Menschen sterben.«
Sein Vater nickte vor sich hin, betrachtete sein Glas und nahm wieder einen Schluck von seinem Wein.
»Was ist eigentlich aus diesem Mädchen geworden, wie war ihr Name, Susanne?«
»Susan. Ich habe sie nicht oft gesehen, Vater.«
»Nicht oft? Du meinst, du hast die Dinge laufenlassen?«
»So ungefähr.«
»Jake, bringst du nie etwas zu Ende? Immer bleibst du irgendwo zwischen dem Anfang und dem Ende hängen. Was ist mit dir und diesem Mädchen passiert?«
»Nichts, Papa; überhaupt nichts.«
»Nun, Jake, hör mal zu. Du wirst bald fünfundzwanzig, und fünfundzwanzig ist das Alter, wo ein Mann ans Heiraten denken sollte. Du kannst nicht ewig so weitermachen und an allem vorbeigehen. Ruf dieses Mädchen gleich an und lade es zu dir ein, und wir werden sehen, was zu machen ist. Ja, das werden wir tun. Wir werden sehen, was zu machen ist.«
Jake schüttelte seinen Kopf; sein Vater sah die Bewegung nicht. Seine Augen blickten an Jake vorbei zu irgendeinem entfernten Punkt, genau wie auf dem Familienfoto an der Wand.
»Nein, Papa.«
»Was? Warum nicht?«
»Ich bin siebenundzwanzig. Drei Jahre, Papa.«
»Wie? Oh. Ja. Nun, du kannst dieses Mädchen trotzdem anrufen. Es hat einen guten Eindruck auf mich gemacht; ein anständiges, braves Mädchen. Ich sage dir, Jake, für einen Jungen in deinem Alter ist es nicht gut, die Dinge schleifen zu lassen. Ruf sie an, gleich jetzt.«
»Papa, ich habe sie drei Jahre lang nicht gesehen.«
»Wie meinst du das, du hast sie nicht gesehen? Gestern ...« Aber dann fing er sich, schien einen Moment zu grübeln. »Das ist eine Weile her, nicht wahr, Jake?«
»Ja, Papa.«
Sie saßen eine Weile schweigend, schlürften Wein und befingerten ihre Gläser. Der eine sah den anderen an, und der andere starrte in den Raum.
»Papa ...«
»Jake«, kam der alte Mann ihm zuvor. »Jake, du hast sie nicht vergessen, nicht wahr?«
»Wen?«
Das Gesicht seines Vaters rötete sich. »Deine Mutter, Jake.« Er atmete tief ein, ließ die Luft langsam wieder heraus; Jake glaubte etwas in seines Vaters Brust rascheln zu hören, etwas, das nicht ganz nach Fleisch und Blut klang. »Hast du dich gut um sie gekümmert?«
»Sie starb ein Jahr nach dir, Papa. Sie war krank.«
»Du hättest dich um sie kümmern sollen, Jake«, sagte sein Vater unbeirrt. Er schien nicht gehört zu haben, was Jake ihm gesagt hatte. »Sie ist gut zu dir gewesen. Und zu mir, ich weiß es. Nicht jede Frau hält es so lange an der Seite eines Mannes aus, wie sie es an meiner Seite ausgehalten hat. Und es ist nicht immer leicht für sie gewesen.«
»Papa, sie ist tot.«
»Du mußt dich um sie kümmern, Jake; sorge dafür, daß sie niemals wie ich zu leiden hat. Du wirst das tun, nicht wahr?«
»Papa ...« Aber sein Vater hörte nicht zu.
Nein.
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