Die Zeitfalle
groß, und sein rotbärtiges Gesicht fängt vor Aufregung zu zucken an, wenn er erklärt: »Die Leute laufen ja schon 'rum und bringen einander um die Ecke. Hast du noch nicht vom ›Verbrechen auf den Straßen‹ gehört? Und der Staat hat mit all seinen Kriegen mehr Leute um die Ecke gebracht, als es zehntausend Massenmörder jemals könnten. Und was scheißt der Staat sich um deine und meine Sicherheit? Er schützt nur die Reichen und Mächtigen, denn er ist ihr Staat, und Macht ist alles, was ihn interessiert, Macht über uns durch seine Bullen, Macht über andere Staaten durch Raketen und Bomben ... Macht für die Reichen, damit sie noch reicher werden können, Macht für die Industrie, damit sie ungestraft unser Wasser und unsere Luft verseuchen kann, Macht für die Zeitungskonzerne und Werbeunternehmen, damit sie die Leute einwickeln und verdummen und ihnen weismachen können, alles wäre in bester Ordnung, so wie es ist. Aber wenn die Leute merken, was mit ihnen gespielt wird, wenn sie ein Gefühl dafür kriegen, daß sie nicht mehr Waren brauchen, sondern mehr persönliche Freiheit und Würde, und wenn sie sich dafür zusammentun, dann wird viel von dem Haß und der Gewalt verschwinden.« Es ist ein schwerer Trip, ein Anarchist zu sein, und dann und wann wird es einfach zu schwer für ihn, und er kriegt es mit der Psyche und muß ein Weilchen in die Klapsmühle. Sie pumpen ihn voll Drogen und beruhigen ihn, und dann ist er wieder in Ordnung, für eine Weile. Das ist der Grund, warum er auch Fürsorgeunterstützung kriegt. Man weiß nie, ob sein Kopf von einem Tag zum nächsten zusammenhalten wird, und das ist manchmal hart, aber wir haben wirklich viel Telepathie, im Bett und außerhalb, und in letzter Zeit ist er nicht allzuoft rappelig geworden ...
Das einzige, was der Fürsorge überhaupt erst Saft gab, war unser Sozialarbeiter, Phil, ein echt rechtschaffener Typ. Nicht nur törnte er uns an, wann immer wir zu einem Gespräch kamen (er hatte immer ein paar Joints in seinem Büro), und steckte uns zusätzlich Buskarten und Lebensmittelgutscheine zu, sondern er war es auch, der uns über die neue Regelung Bescheid sagte, nämlich, daß man die Stadt und sogar das Land verlassen kann und trotzdem seinen Scheck kriegt, wenn der Sozialarbeiter bereit ist, die Papierarbeit zu tun.
Gute Nachrichten, Freunde. Zuerst dachten wir daran, nach Oregon 'raufzugehen und in den Wäldern eine kleine Farm anzufangen. Aber dann fanden wir, daß dieses ganze Land so engherzig und verbohrt und faschistisch ist, und wir hatten ehrlich genug von all diesem Plastik und dem teuren Scheiß in den Geschäften und den Lebensmitteln, mit denen sie einen allmählich vergiften, von der Luft und dem Wasser gar nicht zu reden ... und eines Tages würden sie Moonbeam (das ist meine Tochter) in eine von ihren KZ-Schulen zwingen und ihr diese ganze verlogene bourgeoise Heuchelei in den unschuldigen kleinen Kopf eintrichtern, genau wie sie es bei uns gemacht hatten.
Also beschlossen wir, ganz mit all dem zu brechen und nach Mexiko abzuhauen, was mit den niedrigen Preisen und der warmen Sonne und den Indianern, die ein Haufen von echt rechtschaffenen Köpfen sind, die ganze Zeit angeknallt mit Peyote und Gras und magischen Pilzen, und alle sind entspannt und freundlich und wie zusammen.
Aber wir hatten auch gelesen, wie einige von den mexikanischen Polizisten in der Hauptstadt Langhaarige schikaniert und eingelocht hatten, und außerdem sprach keiner von uns Spanisch, geschweige denn Aztekisch oder was immer die Indianer sprechen. Aber wenn das Karma einen für was ausersehen hat, dann kommt es. Und so tauchte eines Abends dieser Freund auf, ein Maoist, den mein Alter gut kannte, und suchte einen Platz zum Pennen, und er erzählte uns, wie ein Freund von ihm gerade von einer tropischen Insel zurückgekommen sei, einem Paradies, Mann, direkt vor der Küste von Mittelamerika, aber englisch sprechend, weil es mal zu England gehört hatte und Strafkolonie für entlaufene Sklaven gewesen war.
Aber diese Sklaven fingen es richtig an und vermischten sich mit den Indianern und bauten kleine Dörfer und Farmen und fischten und jagten und sangen und tanzten und teilten alles, was sie hatten, mit jedem, der es brauchte. Und du kannst da hingehen und einfach am Strand sitzen und abfahren, Mann, und Kokosnüsse von den Bäumen holen, und jeder ist freundlich und ungezwungen. Du kannst für praktisch nichts eine kleine Hütte mieten, kein Plastik und
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