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Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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sich an Calvin: »Und du? Hast du es auch verstanden?«
    Er nickte. »So ungefähr. Ich kapiere es nicht so wie Charles Wallace, aber ich begreife immerhin, worauf es ankommt.«
    »Sso, jettzt brechenn wwir aberr auff!« sagte Frau Dergestalt. »Enndlos habenn auch wwir nnicht Zeitt.«
    »Dürfen wir einander an den Händen fassen?« fragte Meg.
    Calvin ergriff ihre Hand und hielt sie fest in der seinen.
    »Ihr könnt es ja versuchen«, meinte Frau Wasdenn. »Ob es gelingt, kann ich allerdings nicht sagen. Denn wir tessern zwar gemeinsam, aber jeder für sich. Wir drei machen den Anfang und nehmen euch in unserem Sog mit. Dann wird es für euch wahrscheinlich einfacher.«
    Noch während sie das sagte, begann ihr großer, weißer Körper zu flackern und wabern, und die Flügel lösten sich allmählich in Dunst auf. Auch Frau Diedas schien zu … zu verdampfen, bis nur noch ihre Brille zu sehen war; sie verschwand als letztes.
    »Ich habe schon oft Gesichter ohne Brille gesehen«, überlegte Meg. »Aber eine Brille, die ohne Gesicht in der Luft hängt … Ob ich mich auch auf diese Weise auflöse?«
    Sie blickte zu Frau Dergestalt hinüber. Die war noch da – nein, jetzt war sie fort!
    Ein Windstoß, ein heftiger Ruck, lautes Klirren, als sie durch … – durch was? – brach.
    Dann Finsternis, Stille; das Nichts.
    Hielt Calvin sie noch immer an der Hand? Sie merkte nichts davon. Immerhin war sie diesmal auf die plötzliche und vollständige Auflösung ihres Körpers vorbereitet. Als es in den Fingerspitzen wieder zu prickeln begann, wußte Meg, daß die Reise zu Ende ging – und nun fühlte sie auch Calvins Hand wieder in der ihren.
    Aber dann traf sie völlig unerwartet ein furchtbarer Schock: Mit einemmal lastete enormer Druck auf ihr; es war, als werde sie von einer ungeheuren Dampfwalze plattgedrückt.
    Das war weit schlimmer als das Gefühl des Nichts. Als ein Nichts hatte sie auch nicht atmen müssen; aber jetzt wurden ihre Lungen so gewaltsam zusammengequetscht, daß sie trotz aller Anstrengung nicht mehr Luft holen konnte und zu ersticken drohte.
    Was sie jetzt durchlitt, war auch nicht mit dem Flug auf den Berggipfel zu vergleichen; denn da war die Atmosphäre allmählich dünner geworden, und dann hatten ihnen die Blumen Sauerstoff gespendet.
    Meg versuchte, wenigstens einmal tief durchzuatmen; aber sie war jetzt eine Ausschneidepuppe, und eine Ausschneidepuppe kann das nicht.
    Sie wollte überlegen, was ihr zu tun blieb, aber ihr flachgepreßtes Hirn begann ebenfalls den Dienst zu verweigern: auch ihre Gedanken waren völlig flach und platt geworden.
    Noch schlug das Herz; aber es schlug seitwärts, wie ein Pendel, wie ein Messer; es konnte sich nicht in gewohnter Weise ausdehnen und zusammenziehen.
    Und dann war ihr, als hörte sie eine Stimme; oder wenn schon keine Stimme, dann doch Worte; Worte, die so flachgepreßt waren, als hätte man sie auf Papier gedruckt:
    »Herrje! Hier können wir nicht landen! Das ist ein zweidimensionaler Planet; dem sind die Kinder nicht gewachsen.«
    Wieder wurde Meg ins Nichts gerissen – und das Nichts war beglückend. Es beunruhigte Meg nicht, daß sie Calvins Hand nicht mehr fühlte, daß sie überhaupt weder sehen noch fühlen noch sein konnte. Ihr genügte, dem unerträglichen Druck entronnen zu sein.
    Dann kehrte das Prickeln erneut in ihre Finger und Zehen zurück. Meg spürte wieder Calvins festen Griff. Ihr Herz schlug ruhig und regelmäßig; das Blut kreiste in den Adern … Was immer auch geschehen war, welchen Fehler sie auch gemacht haben mochten: das war jetzt vorbei.
    Meg meinte Charles Wallace sprechen zu hören, und seine Worte waren rund und voll, wie es sich gehörte:
    »Also, wirklich, Frau Dergestalt! Beinahe hätten Sie uns umgebracht!«
    Diesmal wurde Meg mit einem einzigen Ruck aus der schrecklichen fünften Dimension geworfen. Schon stand sie wieder da, leibhaftig und ganz; und Calvin stand neben ihr und hielt ihre Hand umklammert, als ginge es um Leben und Tod. Auch Charles Wallace war da und machte noch immer ein böses Gesicht. Die drei Damen waren nicht sichtbar, aber Meg konnte deutlich ihre Anwesenheit spüren.
    »Kinnderr, ess ttut mirr lleid!« meldete sich Frau Dergestalts Stimme.
    »So beruhige dich doch wieder, Charles!« sagte Frau Wasdenn und nahm Gestalt an – nicht als das prächtige Fabelwesen, als das Meg sie zuletzt gesehen hatte, sondern in der nun schon vertrauten Aufmachung: eingewickelt in Schals und Tücher, und mit dem

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