Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Tonfall verschwunden war. »Mich würde interessieren, welche Art von Unheil genau Ihr vorherseht.«
Lara seufzte und schüttelte den Kopf. »Wenn wir das nur wüssten. Die Visionen, die uns Siwa zukommen lässt, sind oft unklar und symbolhaft. Aber in diesem Falle ist es besonders schwer, eine Deutung zu finden. Ich darf Euch keine Einzelheiten nennen, aber eines sollt Ihr erfahren. In letzter Zeit verdunkelt eine Wand der Finsternis den Blick in die Zukunft, als hinge dort ein schwarzer Vorhang. Das ist ausgesprochen beunruhigend.«
Andreas hätte dem ohne Weiteres zustimmen können, denn er fühlte sich sofort an Giselas Worte erinnert.
Sie hat es doch ganz ähnlich ausgedrückt, dachte er. Wie hat sie gesagt? Sie hat versucht, in die Zukunft zu blicken, aber dort war nur ein gewaltiges Nichts. Kann es Zufall sein, dass die Visionen sich so sehr ähneln? Und falls es kein Zufall ist, welche Bedeutung mag das haben?
Er hatte weder Franklin noch den Slawenpriestern von seiner Begegnung mit der Weisen Frau berichtet und beabsichtigte auch nicht, es jetzt zu tun. Dieses Erlebnis erschien ihm auf unbeschreibbare Weise viel zu intim, um es mit irgendwem teilen zu können. Möglicherweise würde er es eines Tages Claudia erzählen, aber selbst dessen war er sich noch nicht sicher. Vorerst jedoch würde er es für sich behalten und wie einen kostbaren Schatz verbergen.
Es dauerte nicht lange, bis sich alle Priester und Priesterinnen vor dem großen Haus eingefunden hatten. Lara sagte ihnen, dass es Dinge von außergewöhnlicher Wichtigkeit zu besprechen gebe, und sie begaben sich ins Innere des Hauses. Die schweren Holztüren schlossen sich hinter ihnen. Andreas und Franklin blieben alleine auf dem Platz zurück, über den sich nun die Nacht gelegt hatte.
»Was denkst du?«, fragte Andreas. »Erhalten wir hier die Antworten auf unsere Fragen?«
Franklin hob ratlos die Schultern. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Weißt du, es klingt vielleicht albern … aber während der ganzen Zeit, die wir mit diesen beiden Priestern geredet haben, hatte ich das komische Gefühl – na ja, als ob die Frau irgendwie in mich hineinschauen würde. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas jemals sagen würde, aber ich kann’s nicht anders ausdrücken.«
Andreas antwortete nichts. Es war ruhig, kein Laut drang durch die massiven Holzwände des Versammlungshauses nach außen. Nur der Ruf einer Eule drang von ferne durch die Nacht. An wenigen Stellen überwanden Lichter die Dunkelheit, wo kleine Fischerdörfer am unsichtbaren Seeufer liegen mochten; und auch über dem Ringwall der Burg lag eine Glocke matter Helligkeit. Doch darüber, am Himmel, standen nur die Sterne im endlosen Schwarz. Andreas sah zu ihnen hinauf. Er hatte den seltsamen Eindruck, dass ihr Blinken trüb und leblos war, als seien sie müde geworden.
Es dauerte nicht sehr lange, bis sich die Türen des großen Hauses öffneten und die Priester wieder ins Freie traten.
»Wir haben beschlossen, die Göttin um eine Offenbarung zu bitten«, sagte Lara zu Andreas und Franklin. »Aber wie ich Euch bereits wissen ließ, ist es das erste Mal, dass wir uns vor eine derartige Aufgabe gestellt sehen. Es wird die vereinte Kraft aller Priester von Racigard erfordern, wenn wir überhaupt Aussicht auf Erfolg haben wollen.«
»Wir sind Euch schon jetzt zu Dank verpflichtet«, antwortete Andreas.
Lara zog in einem Gesichtsausdruck zwischen Unsicherheit und zweifelnder Ironie die Augenbrauen in die Höhe. »Vergeudet Euren Dank nicht zu früh. Noch haben wir nichts geleistet, das für Euch oder uns von Wert wäre. Nun, wir alle werden uns in den Tempel der Siwa begeben. Ich weise die Diener an, Euch ein Nachtlager im Gästehaus zu bereiten. Es mag unbegründet optimistisch klingen, doch ich wünsche Euch angenehme Ruhe und eine erholsame Nacht.«
Wenig später konnten sich Franklin und Andreas auf zwei schlichten, aber weichen Betten niederlegen. Doch obwohl beide von den Mühen des Tages ermattet waren und jeden Knochen ihrer Körper spürten, war an sofortigen Schlaf nicht zu denken. Zu sehr beschäftigte sie die Frage, was sie am nächsten Morgen erwarten würde. Sie sprachen kein Wort, lagen nur in der vollkommenen Dunkelheit der schwülen Nacht und versuchten nahezu krampfhaft, die ruhelos wirbelnden Gedanken zu verdrängen. Die Morgendämmerung färbte bereits den Himmel im Osten, als sie endlich Schlaf fanden.
Andreas wusste in dem Moment, als Lara
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