Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
soll dort Krieger unter den Stämmen jenseits der Grenze anwerben. Abotritien braucht dringend Soldaten, denn wer weiß, wie lange es den Frankenkönig noch auf dem Südufer der Elbe hält. Ich werde die Wachen der Burg in Kenntnis setzten, sodass Ihr Racigard jederzeit verlassen könnt. Möge Odin Euch bei allen Euren Bemühungen beistehen.«
Nach dem Abschied von Thorsten wurden der Ostgote und der Zeitreisende von Lara und Boleslaw in eines der Häuser geführt. Dort war es schummrig, nur wenig Licht drang durch eine kleine, mit dünn geschabtem Pergament überzogene Fensteröffnung ins Innere. Die Einrichtung bestand nur aus einigen großen Holztruhen, mit mystischen Schnitzereien überzogen, und einem runden Tisch, um den vier Stühle mit hohen Lehnen standen.
»Nehmt Platz«, sagte Boleslaw und wies auf die Stühle, »und dann berichtet uns, wieso Ihr den langen Weg zu uns auf Euch genommen habt.«
Alle setzten sich, und Franklin und Andreas zögerten unsicher.
Dann aber brach Franklin das Schweigen, und er begann zu sprechen.
»Mein Name ist Franklin Vincent. Ich komme aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit …«
Als Franklin und Andreas schließlich ihre Darstellung der Ereignisse vollendet hatten, begann es bereits zu dämmern. Zu ihrer maßlosen Verwunderung hatten Lara und Boleslaw alles, ohne mit der Wimper zu zucken, aufmerksam angehört, als hätten sie gewusst, dass diese doch sehr fabelartige Geschichte der Wahrheit entsprach.
»Wenn ich also recht verstanden habe«, sagte der alte Priester und legte gedankenvoll die Hände zusammen, »seid Ihr hier, weil Ihr zu erfahren hofft, womit die Veränderung der vorherbestimmten Geschehnisse ihren Anfang nahm und wann genau dies sich zutrug.«
»Ja, das stimmt, ehrwürdiger Boleslaw«, antwortete Andreas. »Und wie Ihr ja nun wisst, ist es für uns von größter Bedeutung.«
Lara beugte sich vor, sah die beiden Hilfesuchenden eindringlich an und sagte: »Nicht nur für Euch, durchaus nicht. Wir beobachten schon seit Langem Zeichen, die großes Unheil anzukündigen scheinen. Nun sieht es ganz so aus, als stünde uns ein Krieg mit den Franken bevor, den wir nur vermeiden können, wenn Einhard diese für ihn unentbehrlichen Informationen auf anderem Wege erhält. Es ist also sehr in unserem Interesse, Euch zu helfen.«
»Das heißt, Ihr habt tatsächlich die Möglichkeit dazu?«, fragte Franklin erstaunt.
Die Priesterin lächelte nachsichtig. »In der Göttin Siwa manifestieren sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie weiß, was war und was sein wird. Die Frage ist, ob sie sich willens zeigt, uns ihr Wissen zu offenbaren. Ich will nicht verhehlen, dass wir nie zuvor eine derartige Vision zu erlangen versucht haben, es mag sich als schwierig erweisen. Doch wir wollen es versuchen. Boleslaw, lasst uns die Priesterschaft zusammenrufen. Wir müssen uns beraten, auf welche Weise wir uns an die Göttin wenden sollen.«
Als sie das Haus wieder verließen, war die Sonne bereits hinter den bewaldeten Höhen am westlichen Ufer des Sees untergegangen und hatte einen rötlichen Himmel zurückgelassen, den schon das von Osten unaufhaltsam nachrückende Schwarzblau der Nacht zu verdrängen begann. Boleslaw machte sich auf den Weg, um die Priesterinnen und Priester zu verständigen, während Lara bei Andreas und Franklin blieb und ihnen einige Hinweise gab.
»Ihr werdet bei unserer Beratung nicht anwesend sein können, und auch der Zutritt zum Tempel ist Außenstehenden nicht gestattet. Ich hoffe, Ihr habt dafür Verständnis.«
»Selbstverständlich«, antwortete Andreas. »Aber wenn Ihr mir die Frage erlaubt … Ihr sprecht so gut Latein. Ich hatte das, wenn ich aufrichtig sein darf, nicht erwartet.«
»Eure Sprache ist Teil der Kenntnisse, die jeder Diener der Göttin erwerben muss«, erwiderte die Priesterin. »Wir studieren seit Langem eure alten Schriften über die magischen Künste … nun, jedenfalls die, welche durch eure strengen Gesetze freigegeben sind. Aber selbst diese sind von unschätzbarem Wert. Wenn man mit magischen Fähigkeiten begabt ist, stellen diese Bücher einen unerschöpflichen Quell der Weisheit und Inspiration dar.«
Sie gingen am Pferdegatter vorbei, wo sich das heilige Ross des Svantewit mittlerweile träge zum Schlafen ins Gras gelegt hatte.
»Ihr habt vorhin gesagt, dass es Anzeichen für ein bevorstehendes Unglück gibt«, meinte Franklin, und Andreas stellte fest, dass die frühere Skepsis aus seinem
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