Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
ein weiterer heißer Tag bevorstünde.
31
Trevera
Im Palast Karls
Weit über vier Jahrhunderte war es her, dass Konstantin der Große in der majestätischen Palastaula von Trevera glanzvoll Hof gehalten hatte. Längst waren die Wände in den Wirren der Zeit ihrer schimmernden Marmorverkleidung beraubt worden, sodass sie sich nun in schlichtem weißen Putz zeigten. Doch noch immer strahlte der gewaltige Saal mit der Kassettendecke aus edlen alten Hölzern unverkennbar imperiale Würde aus.
Helles Sonnenlicht fiel durch das klare Glas der hohen Fenster und verlieh dem großen Raum beinahe eine Atmosphäre verspielter Heiterkeit. Doch dieser Eindruck schwand schnell angesichts der Hunderte von Männern, die sich in der Aula eingefunden hatten. Es waren die Herzöge des Frankenreiches, Karls Heerführer. Sie waren allesamt in ihren martialischen Prunkrüstungen erschienen, mit schweren, reich verzierten, schwarz glänzenden Brustpanzern über feingliedrigen Kettenhemden. Ihre mit Federbüschen geschmückten geschwungenen Helme trugen sie in den Händen, und von silberbeschlagenen Ledergürteln hingen lange Schwerter, die sowohl zur Repräsentation als auch zum Töten dienen konnten. Diese Männer wussten, dass es nur einen Grund geben konnte, warum ihr König sie hier zum Thing zusammengerufen hatte. Der Moment, auf den sie lange gewartet hatten, rückte nun näher. Dennoch war die Anspannung groß, jeder harrte ungeduldig Karls Erscheinen.
Dann war es so weit. Der König betrat die Aula und schritt durch den weiten Mittelgang dem Thron auf dem Podest in der halbrunden Apsis der Ostwand entgegen. Er hatte ebenfalls die Uniform angelegt, und laute Vivat Carolus Magnus- Rufe begleiteten ihn. Ihm folgten der Oberkämmerer des Reiches, Einhard, und General Wibodus. In seiner schlichten Mönchskutte wirkte Einhard zwischen den kriegerisch gewandeten Offizieren grotesk deplatziert, doch keiner hätte es gewagt, diesen Gedanken offen auszusprechen. Man erzählte sich unter den Herzögen schier Unglaubliches über Einhards Macht und seinen Einfluss auf den König. Niemand wollte es riskieren, sich den Unwillen dieses Mannes zuzuziehen.
Karl stieg die weißen Marmorstufen des Podestes hinauf und nahm auf dem vergoldeten Thron Platz, ein riesiges Flaggentuch mit dem schwarzen Adler Frankens auf gelbem Grund hing über seinem Kopf von der Decke hinab.
Wie vom Zeremoniell gefordert, nahmen Einhard und Wibodus links und rechts des Throns Aufstellung. Mit einer knappen Handbewegung gebot der König Ruhe. Sofort verstummten die Herzöge und warteten, was geschehen würde.
Wibodus trat vor, entrollte ein gesiegeltes Pergament und las mit volltönender, kräftiger Stimme vor: »Ich, Karl, durch die Gnade des Herrn König der Franken, nach Gottes Wahrem Willen rechtmäßiger römischer Kaiser …«
Ein Raunen ging durch die Masse der versammelten Heerführer. Es war das erste Mal, dass der König seinem Anspruch auf den Kaiserthron in der Öffentlichkeit Ausdruck verlieh und ihn somit offiziell bestätigte. Diese Worte waren geradezu eine Ohrfeige ins Antlitz Westroms.
Nur langsam wurde es wieder ruhiger, als Wibodus fortfuhr: »… habe die Herzöge meines Reiches zusammengerufen, um ihnen meinen königlichen Willen zu verkünden. Es ist mein Entschluss, mein Heer auszusenden, um die mir durch göttliches Recht zustehende Herrschaft über das Weströmische Reich zu erlangen.«
Die letzten Worte des Generals versanken in dem jetzt aufbrandenden Jubel. Vivat Carolus Magnus! und auch Carolus Imperator! dröhnte es durch den Saal, und die Rufe schienen kein Ende zu nehmen. Erst als sich nach einer ganzen Weile Karl vom Thron erhob, kehrte wieder Stille ein.
»Meine Herzöge!«, sagte Karl, wobei der Hall des weiten Raumes seine helle Stimme vorteilhaft verfremdete. »Ihr gehört zu den wenigen, die ich in das streng gehütete Geheimnis der Schande des Frankenreiches eingeweiht habe. Ihr wisst, durch welche erniedrigenden Verträge unser Reich seit Jahrhunderten an das Imperium gekettet ist. Es ist nun an der Zeit, dass wir uns die Entschädigung für die erlittene Demütigung holen. Rom soll schmerzhaft erfahren, dass die Franken kein Volk von Föderaten sind! Und der Herr selber wird uns in diesem Kampf beistehen. Ja, mehr noch! Gott hat ihn uns geboten! Denn Er hat ein Wunder geschehen lassen, mit dem Er uns offenbart hat, dass der Imperator in Rom sich einen Platz angemaßt hat, der nach Seinem ewigen
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