Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
auf dem Hauptplatz erschien, dass die Anstrengungen der Priester vergeblich gewesen sein mussten. Sie wirkte erschöpft und blass, ihr Gesicht verriet Enttäuschung und Besorgnis, noch ehe ihre Worte es taten. Ohne den Römer und Franklin zu begrüßen, schüttelte sie bedrückt den Kopf.
»Wir haben alles versucht, was in unserer Macht stand. Jede Beschwörung, jede Form des Orakels … doch selbst unsere vereinigten Sehergaben führten uns nicht zu einer Antwort auf Eure Frage.«
»Dann war alles umsonst«, sagte Franklin resignierend.
»Nein«, erwiderte die Priesterin, »das war es nicht. Die Göttin hat sich nicht völlig unseren Bemühungen verschlossen. Unsere Fähigkeiten reichten aus, um in Erfahrung zu bringen, wen Ihr zu Rate ziehen müsst.«
Andreas, der schon entmutigt den Kopf hatte sinken lassen, sah wieder auf: »Ist das wahr? Wen, Lara? Wer ist es?«
»Der Name ist uns nicht offenbart worden, wohl aber der Ort, an dem Ihr diesen Menschen finden werdet. Siwa sandte uns das Bild eines Berges mit steilen Felshängen, auf dessen Gipfel ein großes, steinernes Bauwerk mit einem mächtigen Turm steht. Dort leben Weise Männer und Frauen in weißen Gewändern.«
Franklins Miene spiegelte seine Ratlosigkeit angesichts dieser Schilderung, aber Andreas wusste schnell, welcher Ort damit nur gemeint sein konnte. »Mons Securus!«, rief er aus.
»Wenn Ihr zu wissen glaubt, wo dieser Berg sich befindet«, sprach Lara weiter, »begebt Euch dorthin, so schnell es Euch möglich ist. Ihr werdet dort den Wahrsager mit der größten Begabung von allen finden, den einzigen Menschen, der Euch zu helfen vermag. Mehr können wir Euch leider nicht sagen.«
»Lara, was Ihr für uns getan habt, ist von unschätzbarem Wert. Wie können wir Euch nur danken?«, fragte Andreas.
»Indem Ihr tut, was Euch zu tun bestimmt ist. Und nun dürft Ihr keine Stunde mehr verlieren, ich fühle, dass die Zeit drängt. Lebt wohl, und möge Euch Erfolg beschieden sein.«
Andreas und Franklin verabschiedeten sich von der Priesterin und verließen dann den Tempelbezirk, um schnellstens Pferde und Gepäck in der Burg abzuholen.
Als sie durch das große Tor gegangen und im Wald verschwunden waren, trat Boleslaw zu Lara und sagte nachdenklich: »Vielleicht wäre es doch besser gewesen, ihnen alles zu sagen.«
Lara schüttelte den Kopf. »Nein, ganz gewiss nicht. Die Grenze zwischen dem, was sein wird, und dem, was sein könnte, ist jetzt dünn wie der Flügel eines Schmetterlings. Ob sie reißt … das hängt nun ganz alleine von dem jungen Römer ab. Es steht uns nicht zu, über die Zukunft zu befinden.«
»Ob es weise ist, ihm die gewaltige Last dieser Verantwortung zu überlassen?«
»Wenn er wüsste, dass er sie trägt, sicher nicht. Doch er weiß es nicht. Uns bleibt nun nichts weiter zu tun, als zu hoffen, dass er wachen Auges ist und erkennt, wie er zu handeln hat. Die Zukunft, Boleslaw, wird es zeigen …«
»Mons Securus?«, fragte Franklin, während sie unter dem Laubdach der uralten Buchen die Insel durchquerten. »Wo soll das sein? Ich kenne ja eine ganze Menge römischer Ortsnamen, aber den habe ich noch nie gehört.«
»Vielleicht, weil er in deiner Welt keine Bedeutung erlangt hat«, antwortete Andreas. »Mons Securus ist ein Berg in der Provinz Septimania. Und auf dem Gipfel befindet sich das Kloster der Spicarianer. Oh, warum bin ich nicht selber darauf gekommen …«
Franklin verdrehte die Augen. »Und wer, bitte, sind die Spicarianer?«
»Stimmt, das kannst du ja gar nicht wissen. Es handelt sich um einen Orden, der nur magisch begabte Männer und Frauen aufnimmt, hauptsächlich Wahrsager. Sie alleine haben im Weströmischen Reich die Erlaubnis, die Zauberkunst auszuüben, und sie stellen ihr Können ausschließlich dem Imperium zur Verfügung.«
»Zaubernde Geistliche? Mann, in meiner Welt wäre das eine hochgradig bizarre Vorstellung. Wie kam es denn dazu?«
»Da fragst du mich zu viel. Wenn wir dort sind, wirst du sicher alles erfahren, was dich interessiert. Doch zunächst müssen wir nach Rom. Wenn wir eine Weissagung des unbekannten Spicarianers wollen, brauchen wir eine Erlaubnis der kaiserlichen Kanzlei.«
Mit Schaudern dachten beide daran, dass ihnen nun ein zweites Mal die schreckenerregende Reise durch Sachsen bevorstand.
Sie traten aus dem Dunkel des Waldes nahe dem Ufer wieder ins Freie. Die Morgensonne spiegelte sich im ruhigen Wasser des Sees und blendete grell. Es sah ganz so aus, als ob
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