Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
setzen!«
Nur auf den ersten Blick schien eine unübersehbare Menschenmenge das Forum Romanum zu füllen; wenn man genauer hinsah, wurde offenbar, dass sie in zwei Hälften gespalten war. Der Riss, der sie voneinander trennte, lief quer über den Platz, von der Basilica Amelia zur Basilica Julia. Wie ein Grenzstein wirkte dabei das große Marmorpodest mit der Freitreppe vor der Basilica Julia, das Kaiserin Constantia vor über zweihundert Jahren zum Gedenken an den Sieg über die Langobarden hatte errichten lassen.
Zwischen den gegnerischen Parteien befand sich eine Art Korridor, ein Niemandsland. Arianer und Nicaeer brüllten sich über die Köpfe der Soldaten, die dort standen, um Übergriffe zu verhindern, gegenseitig Beleidigungen und Flüche zu. Die Legionäre hatten eine Doppelreihe gebildet, die unendlich dünn und zerbrechlich wirkte im Vergleich zu den Zehntausenden von Menschen, die auf beiden Seiten nur wenige Schritte entfernt standen, die erhobenen Fäuste drohend schüttelten und mit geröteten Gesichtern lauthals Schmähungen ausstießen. Die Soldaten waren längst über den Punkt hinaus, wo sie noch Partei für die eine oder andere Seite ergriffen hätten. Sie wussten, dass ein einziger Steinwurf aus einer der beiden wütenden Ansammlungen genügen würde, um einen Sturm zu entfesseln. Und dann wären sie verloren wie Pharaos Heer, das die Israeliten verfolgt hatte und von den Wassern des Sinus Arabicus begraben worden war. Wenn die Dämme brechen sollten, wären sie alle des Todes, ganz gleich, welchem Glauben sie angehörten. Der Schweiß, der allen unter den Helmen hervorquoll, war keine Folge der quälenden Hitze, sondern der blanken Angst.
Die ehrwürdigen Monumente des Forums, die Rostra, der Triumphbogen des Septimius Severus und die hohen Säulen mit den Statuen der großen Imperatoren, ragten aus der wogenden Masse der dicht gedrängt stehenden Menschen hervor wie einsame Felsen im Meer, als hätte sie jemand dort verloren und achtlos liegen gelassen. Über dem großen Platz lag, ungreifbar und drückend, die zum Bersten gespannte Luft, die heftigen Gewittern vorausgeht. Doch hier würde das Unwetter nicht am Himmel losbrechen. Unter einem makellos blauen Zenit hatten sich die Unheil verkündenden schwarzen Wolken unsichtbar auf der Erde zusammengeballt; es schien nur noch eine Frage von Augenblicken zu sein, bis der erste Blitz aufzuckte und den Beginn des Orkans verkündete.
Dann aber geschah etwas, das niemand erwartet hatte. Auf dem Podest vor der Basilica Julia erschienen Prätorianer. Es waren nicht viele, höchstens vierzig oder fünfzig, aber sie zogen die Aufmerksamkeit der in der Umgebung Stehenden auf sich. Und dann verstummte das Geschrei und es wallte ein Raunen auf. Aus dem Säulenwald der Basilica trat Krista Scorpia, begleitet von zwei hohen Geistlichen. Jeder Römer kannte diese beiden Männer, die Oberhäupter beider Kirchen des Imperiums. Schnell verbreitete es sich in jeden Winkel des Forums, dass die Imperatrix mit dem Papst und dem Episcopus Magnus erschienen war. Die Geräusche verebbten, es wurde still auf dem weiten Platz. Keiner hatte mit dem Auftreten der Kirchenmänner gerechnet, jedermann wartete gespannt, was nun geschehen würde.
Die beiden Bischöfe traten gemeinsam vor, anscheinend furchtlos und entschlossen. Sie ließen ihre Blicke kurz über das Meer der zahllosen Köpfe schweifen, dann atmete Hosius tief ein und ließ seine Stimme ertönen, der man Jahre der Übung durch Predigten in großen Kirchen anmerkte.
»Nicaeer! Christus schaut auf euch herab. Und er wendet sich gramerfüllt ab, da er euch sieht!«
Die Worte waren gut gewählt, denn mit bloßem Auge war zu erkennen, wie ein Zucken plötzlichen Erschreckens durch die dicht gedrängt stehenden nicaeischen Römer ging. Doch auch bei den Arianern war die Überraschung groß, und sie wuchs noch, als nun Großbischof Gunther seine Stimme erhob.
»Arianer! Der Herr verbirgt sein Antlitz angesichts der Schande, die ihr Seinem Namen bereitet!«
Nun war es an den versammelten Arianern, wie von einem Peitschenhieb getroffen zusammenzufahren.
Nach diesen beiden Paukenschlägen, die den Menschen bis ins Mark gefahren waren, richtete die Menge ihre ganze Aufmerksamkeit auf die beiden Bischöfe. Die Kirchenmänner ließen im Wechsel die glühenden Pfeile ihres Zorns auf die Römer niedergehen, und keiner bemerkte, dass sie bald aufgehört hatten, sich nur an ihre eigenen Gläubigen zu wenden. Was
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