Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Außenstehende haben das wohl weitaus klarer als wir erkannt und für ihre Zwecke ausgenutzt.«
»Ausgenutzt?«, fragte Hosius überrascht. »Ihr seid der Auffassung, dieses Edikt des Frankenkönigs, das am Anfang der Unruhen stand, wäre mit der erklärten Absicht erlassen worden, Unruhe im Imperium zu stiften?«
»Ich habe keinerlei Beweise, aber das ist in der Tat meine Überzeugung«, erwiderte Marcellus Sator.
Krista stand von ihrem Stuhl auf und ging hinüber zum Fenster. »Um die Ursachen dieser Zustände werden wir uns später Gedanken machen müssen«, sagte sie. »Unsere augenblickliche Aufgabe ist es, in Rom für Ruhe zu sorgen, damit sich auch die Lage im Rest des Landes entspannen kann.«
Sie schaute hinaus in die Gärten des Palatin, die wie eine idyllische Oase des Friedens im hellen Sonnenlicht des frühen Nachmittags lagen. »Und dazu habe ich Euch hierher kommen lassen. Ihr seid die Oberhäupter der Christen des Imperiums. Ihr müsst dazu beitragen, die Menschen auf dem Forum wieder zur Vernunft zu bringen.«
Die beiden Kirchenmänner sahen sich betreten und sprachlos an. Dann entgegnete Gunther zögernd: »Imperatrix … wir haben doch schon so vieles versucht. Wir haben die Bischöfe angewiesen, die Feindseligkeiten zu verurteilen, wir haben Aufrufe erlassen und …«
Die Kaiserin drehte sich um und blickte die Kleriker mit zornig herabgezogenen Augenbrauen an.
»Und seid Ihr auch vor die wütende Menge getreten? Habt Ihr selbst zu ihnen gesprochen? Oder fehlt Euch dazu der Mut, habt Ihr möglicherweise Angst, der Herr könnte Euch Seinen Schutz entziehen, sodass Ihr dem Zorn der Menschen ausgeliefert wärt? Hält Euch etwa die Furcht um Euer kostbares Leben zurück?«
Die Bischöfe schwiegen. Jeglicher Stolz, den die hohen geistlichen Ämter mit sich brachten, war aus ihrer Haltung verschwunden und sie blickten beschämt auf den Tisch nieder. Die Kaiserin hatte sie ertappt, ihre Feigheit gnadenlos bloßgelegt. Marcellus Sators Bewunderung für Krista war weiter angewachsen. Nun erkannte er, dass sie ein Talent besaß, das ihm, der stets nur die greifbaren Fakten sah, vollkommen fehlte. Sie konnte hinter die Worte und Handlungen sehen, mit denen ein Mensch seine wirklichen Gedanken zu verbergen versuchte, ihm die Maske im rechten Moment herunterreißen, sodass die wahren Absichten und Beweggründe zum Vorschein kamen.
»Nun«, sagte sie ruhig, »ich habe lange und intensiv nachgedacht, welche Möglichkeiten uns zu Gebote stehen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es Eindruck auf das Volk machen wird, wenn der Papst und der Episcopus Magnus gemeinsam erscheinen, um zu ihm zu sprechen, und zwar in meinem Beisein. Papst Leo hatte den Mut, dem Hunnenkönig Attila entgegenzutreten, und rettete so Rom vor der Vernichtung. Der Presbyter Arius hat sich einem Konzil von Hunderten ihm feindlich gesinnter Bischöfe gestellt, obgleich er damit rechnen musste, den Tod zu finden. Ich nehme nicht an, dass Ihr weniger Vertrauen in Gottes schützende Hand habt und Euch fürchtet, den Bürgern Roms in die Augen zu sehen.«
Niemand widersprach.
Doch Marcellus gab zu bedenken: »Und mit welchen Worten sollen sie vor die Menge treten? Wir bräuchten etwas, das sie aufrüttelt, sie in ihrem Innersten trifft, und –«
In diesem Moment trat ein Bediensteter ein. Er überbrachte dem Präfekten die Meldung, dass soeben Andreas Sigurdius in Begleitung eines weiteren Reiters das Haupttor des Officium Foederatii passiert habe. Die Nachricht, dass sein künftiger Schwiegersohn zurückgekehrt sei, ließ eine große Last von Marcellus’ Seele verschwinden. Mit Kristas Erlaubnis erhob er sich und verließ schnellen Schrittes den Raum, um Andreas entgegenzugehen.
Die Art, wie Marcellus Sator ihn im Garten des Domus Flavia willkommen hieß und sich nach seinem Befinden erkundigte, zeigte Andreas, wie sehr sich der Präfekt um ihn gesorgt haben musste und wie erleichtert er nun war, ihn nach so vielen Wochen gesund und unverletzt wiederzusehen. Das wog umso schwerer, als Marcellus für gewöhnlich seine Emotionen tief in seinem Inneren verbarg und durch nichts verriet. Andreas seinerseits war glücklich zu hören, dass Claudia ebenfalls wohlauf war und sich momentan auf dem Landsitz der Familie bei Capua befand, in sicherer Entfernung vom unruhigen Rom. Weniger erfreut war er darüber, dass Claudia, die inzwischen wusste, dass er sich nicht in Hispania aufhielt, sich so sehr um ihn sorgte, dass sie ihren
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