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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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hunderttausenden Römern. Und er gab sich alle Mühe, der Kaiserin unerschüttert ins Gesicht zu sehen.
    »Du willst also Arianer töten?«, sagte Krista unbewegt. »Nun gut. Vor dir steht eine Arianerin. Wenn du glaubst, Rom dadurch einen Dienst zu erweisen, dann töte mich.«
    Der Mann versuchte, seine Hand zum Griff des Dolches zu führen. Doch der Arm gehorchte ihm nicht. Er begann zu zittern. Seine Gesichtszüge fielen in sich zusammen. Dann gaben seine Knie nach. Er stürzte zu Boden und blieb weinend wie ein kleines Kind auf dem Pflaster liegen.
    Krista blickte auf ihn nieder. Dann schaute sie in die bleichen Gesichter der umstehenden Menschen. »Ihr müsst euch jetzt entscheiden! Seid ihr Arianer? Seid ihr Nicaeer? Oder wollt ihr Römer sein?«
    Noch bevor sie ganz zu Ende gesprochen hatte, ertönte es um sie herum aus Hunderten von Kehlen:
    »RÖMER!«
    Und als wäre dies ein Signal gewesen, pflanzte sich der Ruf in Windeseile fort. Selbst diejenigen, die Kristas Worte nicht hatten hören können, schlossen sich dem losbrechenden Sturm der Stimmen an.
    »RÖMER!«, schallte es über den Platz, wieder und wieder. Alle fielen in die Rufe ein, Nicaeer, Arianer und die Legionäre, die noch immer trennend zwischen ihnen standen. Hinzu kamen Hochrufe auf die Kaiserin, die nun wieder die Treppe hinaufschritt. Die Doppelreihe der Soldaten begann sich aufzulösen, die beiden Gruppen, die sich kurz zuvor noch als Todfeinde gegenübergestanden hatten, drängten aufeinander zu und verschmolzen zu einer einzigen.
    Der Griff nach dem Mond war gelungen.
      
    »Blut und Wasser habe ich geschwitzt, als sie die Treppe hinuntergegangen ist«, sagte Marcellus und nahm hinter dem Schreibtisch in seinem Büro Platz.
        Andreas und Franklin setzten sich auf zwei prachtvolle Faltsessel aus vergoldeter Bronze, die so aussahen, als stammten sie direkt aus dem Kaiserpalast. Überhaupt stand der Raum mit seiner prunkvollen Ausstattung in auffälligem Kontrast zu Marcellus’ nüchternem Charakter. Filigrane Einlegearbeiten schmückten die Wandverkleidungen aus edlen Hölzern, den Boden zierte ein großes Mosaik mit der Darstellung einer Szene aus Aischylos’ Drama Die Perser. Die Kassettendecke war in Gold- und Blautönen hauchzart ausgemalt, sodass man die äthergleich scheinenden heidnischen Kalendergottheiten sah, wenn man emporblickte. Das Mobiliar aus reich verzierter Bronze und Marmor fügte sich nahtlos ein in dieses Bild erlesener, sorgfältig zusammengestellter Kostbarkeiten.
    Tatsächlich hatte der Präfekt dieses Büro, das so wenig seinem Wesen entsprach, nicht selber eingerichtet. Es stammte noch von seinem Vorgänger, und er hatte es unverändert so übernommen, wie er es beim Antritt seines Amtes vorgefunden hatte. Selbst ein Umbau zum Schlichteren hätte Kosten verursacht, die Marcellus’ Ansicht nach überflüssig waren. Also hatte er alles so belassen, wie es war, mit dem Nebeneffekt, dass ihm gerade der hier getriebene Aufwand Tag für Tag aufs Neue die Bedeutung der Sparsamkeit vor Augen führte.
    »Nun, das Wagnis hat sich gelohnt. Ich dachte, die Jubelrufe würden gar kein Ende mehr nehmen. Und ich bin mir sicher, dass sich die Nachricht von diesen Geschehnissen sehr schnell im Land verbreiten wird, wir haben unser Ziel also erreicht. Franklin Vincent, ich schließe mich dem Dank an, den die Kaiserin Euch ausgesprochen hat. Alles ist so abgelaufen, wie Ihr es vorhergesagt habt. Woher wusstet Ihr, wie die Menge reagieren würde?«, fragte Marcellus.
    »Teils aus Erfahrung, Präfekt, teils aus Berechnung«, gab Franklin zur Antwort. »Vorherzusagen, wie eine einzelne Person reagieren wird, ist ein reines Ratespiel. Bei hunderttausend Menschen ist es nur eine mathematische Gleichung. Im Übrigen war’s wirklich nicht schwer, die Leute zu lenken. Flöße ihnen Schuldgefühle ein und präsentiere ihnen einen gemeinsamen Feind, das funktioniert fast immer. Wenn das alles dann noch von einer beeindruckenden, schönen Frau kommt, ist die Sache so gut wie sicher.«
    »Eure Art zu denken gefällt mir«, meinte Marcellus anerkennend. »Sehr klar und logisch. Eine mathematische Gleichung … ich werde mir das merken. Aber wenn auch die Gefahr eines Bürgerkrieges wohl gebannt ist – der Krieg, den uns die Franken bringen wollen, bleibt eine sehr reale Bedrohung. Und mit diesen verheerenden Waffen, gegen die uns kein Mittel zur Verfügung steht …«
    Der Präfekt hielt kurz inne, als ob er sich an etwas erinnerte.

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