Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Vater mit einem unablässigen Strom von Briefen eindeckte, in denen sie ihn nach Neuigkeiten fragte und ihn mit Vorwürfen überschüttete. Die Ungnade seiner Tochter schien Marcellus schwer zu treffen, und Andreas fühlte Mitleid mit ihm.
»Franklin Vincent?«, fragte der Präfekt, nachdem Andreas ihm seinen Begleiter vorgestellt hatte. »Ein höchst ungewöhnlicher Name. Sagt, woher kommt Ihr?«
Franklin zögerte kurz, ehe er vorsichtig zur Antwort gab: »Wenn Ihr erlaubt, beantworte ich Eure Frage später. Andreas und ich haben Euch etwas ungemein Wichtiges mitzuteilen, dessen Erklärung … Zeit brauchen wird.«
»Zeit dürfte genau das sein, was uns momentan am wenigsten zur Verfügung steht«, entgegnete Marcellus. »Ihr habt gesehen, wie die Dinge in Rom stehen, dass die Stadt nur noch einen Schritt vom Bürgerkrieg entfernt ist. Das ist das Werk des Frankenkönigs! Andreas, was ist mit Karl? Hast du etwas über seine Pläne in Erfahrung bringen können?«
Auf Andreas’ Nachfrage hin bestätigte ihm der Präfekt, was er schon geahnt hatte, dass nämlich seine Botschaft nie in Rom eingetroffen war. Also gab der Ostgote eine knappe Schilderung von den fränkischen Kriegsplänen und erwähnte die wahrscheinliche Verbindung zu den Persern. Dann berichtete er, dass die fränkischen Truppen bereits bei Argentorate zusammengezogen waren und zum Teil mit neuartigen, bislang gänzlich unbekannten Waffen versehen waren. Doch eben dieser Punkt war es, der Marcellus die Stirn runzeln ließ.
»Waffen, die aus mehr als hundert Schritt Distanz töten können?«, fragte er skeptisch. »Das ist schwer zu glauben. Noch nie habe ich von solchen – wie nanntest du sie? Gewehre? –, von diesen Gewehren gehört. Bist du dir sicher, dass du dich nicht irrst oder dass man dir gezielt falsche Informationen hat zukommen lassen, wie man es mit Kundschaftern oft macht?«
Andreas wollte dem widersprechen, doch Franklin kam ihm zuvor. »Präfekt, um die Sache abzukürzen, werde ich Euch die Existenz der Waffen beweisen. Einen Moment, bitte.«
Franklin ging hinüber zu einer Marmorbank, auf der er seine Satteltaschen abgelegt hatte. Er griff in eine der ledernen Taschen und zog nach kurzem Suchen etwas heraus, das Andreas bekannt vorkam. Der Gegenstand ähnelte in seiner Form der Betäubungspistole, mit der Franklin in Aachen den Soldaten in Schlaf versetzt hatte. Und doch war etwas an dieser Waffe grundlegend anders; Andreas glaubte, eine Angst einflößende, bedrohliche Aura zu spüren, die von dem dunklen Metallteil ausging. Er fühlte, dass er es hier mit einem Instrument zu tun hatte, das zum Töten geschaffen war.
Er wollte Franklin zurückhalten, doch es war schon zu spät. Der Zeitreisende drehte sich herum, sodass sich vor ihm der mit weißem, poliertem Kalkstein gepflasterte Gartenweg erstreckte, zu beiden Seiten gesäumt von kunstvoll gestutzten Büschen. In etwa vierzig Schritt Entfernung stand auf einer brusthohen Säule eine rötliche Ziervase.
»Achtet auf die Vase dort«, sagte Franklin. Dann umfasste er mit beiden Händen fest den Griff der Waffe und zielte. Ein scharfer Knall zerfetzte die Luft, und scheinbar im gleichen Moment zerplatzte die Vase in unzählige Scherben, ihre Bruchstücke flogen nach allen Seiten. Sowohl Marcellus als auch Andreas waren erstarrt und stumm.
»Es ist nicht genau das, was die Franken haben«, sagte Franklin, während er die Pistole wieder senkte, »aber das Prinzip und die Wirkung sind vergleichbar. Und sie besitzen Hunderte, vermutlich sogar Tausende dieser Waffen.«
»Pater noster!«, flüsterte Andreas. Er wusste zwar durch Franklins Schilderungen bereits von der vernichtenden Wirkung des Schießpulvers, doch es war etwas ganz anderes, alles mit eigenen Augen aus nächster Nähe zu sehen.
Es gelang Marcellus Sator schließlich, seinen Schrecken zu überwinden und wieder zu geordnetem Denken zurückzukehren. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass irgendjemand den Franken auf dem Schlachtfeld würde standhalten können, wenn sie diese Waffen in großer Zahl einsetzen sollten.
»Sie dürfen gar nicht erst über die Alpen kommen«, meinte er alarmiert. »Wir müssen so schnell wie möglich die Pässe sperren. Aber damit wir unbesorgt die VI. Legion und ihre auxiliarii nach Norden entsenden können, muss erst wieder Frieden in Rom herrschen. Es dürfte wohl einfacher sein, den Mond zu berühren, als das zu erreichen. Folgt mir, wir werden die Kaiserin in Kenntnis
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