Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
sie sagten, galt unterschiedslos allen. Es waren weniger die Worte, die eine so erschütternde Wirkung ausübten, als vielmehr die Umstände, unter denen sie ausgesprochen wurden.
Unbeachtet von den dergestalt gescholtenen Zuhörern standen Andreas und Franklin im Schatten einer der mächtigen Säulen der Basilica Julia und verfolgten die Vorgänge.
»Sie haben es geschafft«, sagte Andreas. »Sieh nur, wie ruhig die Menschen geworden sind. Du hattest unrecht, es wird doch nicht nötig sein, dass auch die Kaiserin spricht.«
Franklin schüttelte den Kopf. »Das sehe ich aber anders. Noch sind die Leute platt. Doch das wird sich wieder geben, und dann wird die Lage kritisch. Bisher sind sie ja nur überrumpelt und von dem Donnerwetter der beiden Bischöfe eingeschüchtert, und wenn dieser Effekt nachlässt, ist die Kaiserin gefordert. Pass auf, es kann jeden Moment so weit sein.«
Franklin behielt recht. Nur wenige Augenblicke später begann sich wieder Unruhe unter den beiden Gruppen auf dem Forum auszubreiten. Erst war es nur ein leises Murmeln, das aber schnell zu einem vibrierenden Rauschen unzähliger erregt durcheinanderschwirrender Stimmen anschwoll.
Die beiden Kirchenoberhäupter merkten, dass die Masse ihnen wieder entglitt. Der Moment war gekommen, von der Predigt zur Rhetorik überzugehen. Die zwei Männer wichen einige Schritte zurück, und Krista trat vor. Niemand hätte auch nur im Entferntesten geglaubt, dass die Kaiserin selber das Wort ergreifen würde, doch nun sah es ganz danach aus. Erstaunlich schnell erstarb jeder Laut auf dem Forum.
Krista nahm einen tiefen Atemzug, dann sagte sie mit heller, aber fester Stimme: »Ja, Volk von Rom! Entzweie dich nur! Zerfleischt euch nur gegenseitig, unsere Feinde werden es euch danken, ihr Römer! Nannte ich euch Römer? Nein, das steht euch nicht zu. Wie kann ich euch mit diesem Ehrennamen anreden, wenn ihr euch so verhaltet, euren niedrigsten Trieben nachgebt? Wie kann ich euch so nennen, wenn unsere Legionäre, Arianer wie Nicaeer, Aberhunderte von Meilen von hier für die Freiheit des Glaubens und des Geistes kämpfen, auf die das Imperium sich gründet, während ihr hier diese Tugenden mit Füßen tretet? Wie kann ich euch Römer nennen, wenn ihr dabei seid, Rom seinen Feinden auszuliefern? Ja, ihr habt richtig gehört! Ihr seid dabei, Rom zu verraten, denn die Franken rüsten zum Krieg gegen uns. Und der Zwist, den sie gesät haben, um das Imperium zu schwächen, ihr habt ihn willig aufgesogen. Nur zu, öffnet den Barbaren aus dem Norden nur weit die Tore. Es wird ihnen leichtfallen, euch zu unterjochen, und ihnen wird es gleich sein, welchen Glaubens ihr seid. Sie werden euch alle zu Sklaven machen, ohne jeden Unterschied. Und ihr hättet es verdient, wenn ihr von eurer Freiheit so schlechten, unwürdigen Gebrauch macht!«
Wäre in diesem Moment irgendwo auf dem Forum ein Kupferstück zu Boden gefallen, das Geräusch des Aufpralls wäre als tönender Krach erschienen im Vergleich zu der Stille, die sich über die Menschenmenge gesenkt hatte. Starr blickten die Männer und Frauen auf ihre Kaiserin, und in ihren Gesichtern begann sich eine Mischung von Nachdenklichkeit, Scham und Hilflosigkeit abzuzeichnen. Kristas Worte schienen alle berührt zu haben.
Plötzlich aber erscholl ein wütender Ruf aus der Menge, nah bei dem Podest: »Wenn Rom leben soll, müssen erst die Arianer sterben!«
»Verflucht!«, zischte Franklin. »Ich dachte, wir hätten’s geschafft! Scheiße!«
Kristas Augen blitzten auf. »Wer hat das gesagt?«, fragte sie hart.
Schweigen. Dann, nach endlos scheinenden Augenblicken, antwortete eine einzelne Stimme, halb aggressiv, halb unentschlossen: »Das war ich!«
Krista zögerte keinen Moment. Sie schritt die Stufen der Treppe hinab, auf die immer noch erstarrt stehenden Menschen zu.
»Um Gottes willen! Sie hat den Verstand verloren!«, flüsterte Marcellus Sator, der in Franklins Nähe stand, entsetzt.
»Oder sie ist die Einzige hier, die überhaupt noch bei Verstand ist«, erwiderte Franklin so leise, dass niemand es hören konnte.
Die Kaiserin hatte den Boden des Forums betreten. Vor ihr öffnete sich lautlos eine Gasse, die Menschen wichen ehrfurchtsvoll zurück. Wie von selbst bildete sich ein Weg zu dem Mann, der seine Stimme erhoben hatte.
Krista trat vor ihn und blickte ihn an. Er war mittleren Alters, einfach, aber nicht ärmlich in eine schlichte Tunika gekleidet, ein Dolch hing von seinem Gürtel. Einer von
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