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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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plusterte sein Federkleid auf, sodass er fast auf das Doppelte seiner Größe anzuwachsen schien. Mit sichtlichem Vergnügen badete er jetzt mit wedelnden Flügelbewegungen im Sand und gab dabei schrille Töne des Wohlbefindens von sich.
    Andreas Sigurdius hatte den kleinen Vogel aus einiger Entfernung neidvoll beobachtet. Er saß unter einem krummen, knorrigen Baum auf einem Hügel, von dem aus er in einiger Entfernung Trevera sehen konnte. Er hatte diese Stadt mittlerweile hassen gelernt, sie ekelte ihn an, und das aus vielen Gründen. Trevera, das waren Straßen aus bodenlosem Dreck, schiefe, niedrige Fachwerkhäuser, Schmutz und Unmengen von Fliegen. Er hatte alles satt, die infernalisch stinkenden Güllekarren, vor denen es kein Entrinnen gab, die Primitivität, die ihm an jeder Ecke hässlich entgegenglotzte, und erst recht die Aufgabe, deretwegen er hier war und bei deren Erfüllung er noch nicht den geringsten echten Fortschritt erkennen konnte.
    Als er an diesem Morgen aufgewacht war, hatte er es nicht mehr ausgehalten. Er hatte sein Pferd aus dem Stall geholt und war aus der Stadt geritten, als flüchte er vor der Pest. Nachdem er die Mosel überquert hatte, begann er, sich langsam besser zu fühlen und Ausschau nach einem Plätzchen zu halten, wo er in Ruhe nachdenken konnte.
    Nun saß er also im Frühlingsgras und lehnte sich an den uralten Baum, dessen zerfurchte Rinde durch den Stoff der Tunika in den Rücken drückte. Aber das störte ihn nicht. Er schloss die Augen und genoss die Sonne, die an diesem Tag des Mai zum ersten Mal wirklich wärmte. Aus einem nahe gelegenen Gestrüpp tönte das polyphone, lebhafte Geplapper eines Spatzenschwarms, und in der sanft bewegten Luft lag schon der Duft von allerlei Gräsern und Blumen.
    Nur die schweren Ochsenwagen mit ihren übel riechenden Ladungen, die unterhalb des Hügels von Zeit zu Zeit über die Straße polterten, passten nicht ganz in das Frühlingsidyll, aber Andreas versuchte, sie einfach zu ignorieren. Es war seiner Meinung nach an der Zeit, dass er nach den mehr als vier ruhelosen Wochen, die seit seiner überstürzten Abreise aus Rom vergangen waren, ein wenig Erholung fand. Ein leichtes Schuldgefühl nagte an seinem Gewissen, weil er einem Vogel beim Baden zusah, statt den vielen unbeantworteten Fragen nachzugehen. Aber es war leicht zu unterdrücken, indem er sich einfach vor Augen hielt, dass sein Geist ja weiterhin an diesen Problemen arbeitete, auch wenn der Körper ruhte. Geistige Arbeit kann man nicht sehen … das ist ihr großer Vorteil, dachte er und atmete tief ein.
    Im Übrigen war sein nächster Tag bereits wieder voll ausgefüllt. Er würde dem römischen Gesandten einen Besuch abstatten und ein Lager der schweren Reiterei bei Igel auskundschaften. Und er musste sich in den folgenden Tagen unbedingt mit dem Geheimnis von Aachen befassen, denn inzwischen war er zu dem Verdacht gelangt, dort einen Hinweis auf die Frage finden zu können, was denn nun vor drei Jahren Umwälzendes geschehen sein mochte.
    Wieder rumpelte ein Ochsenwagen mit Fäkalien die tiefer gelegene Straße entlang. Das Geräusch begann Andreas doch langsam zu stören. Zur Hölle mit ihnen!, dachte er, Ihr dämlichen Franken, warum leitet ihr die Scheiße nicht einfach in den Fluss?Aber nein, auf die einfachsten Sachen kommt ihr nicht. Stattdessen transportiert ihr das Zeug quer durch die Landschaft nach …
    Andreas öffnete die Augen. Wohin brachten die Franken die Fäkalien von Trevera überhaupt? Wenn sie sich die Mühe machten, die Exkremente der Hauptstadt zu sammeln und abzutransportieren, dann mussten sie dafür doch irgendeinen Grund haben. Aber welchen Sinn hätte das haben können?
    Er verscheuchte diese Idee, die ihm noch im Moment ihres Entstehens ebenso unappetitlich wie unsinnig vorkam: Andreas, reiß dich zusammen! Ich habe in den letzten Nächten einfach zu wenig geschlafen. Die Frage, was die Franken mit dem Inhalt ihrer Latrinen machen, hängt nicht im Entferntesten mit meiner Aufgabe zusammen. Wie sagt Marcellus Sator immer? Effizient denken! Ich darf mich einfach nicht mit solchen Nichtigkeiten aufhalten.
    Aus dem Augenwinkel nahm Andreas einen roten Fleck unten auf der Straße wahr. Er hätte sich nicht weiter darum gekümmert, aber eine Assoziation, die nur den Bruchteil eines Pulsschlags dauerte, veranlasste ihn, den Kopf rasch zu wenden. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Aethelred in seinem strahlend roten Wams von Trevera kommend die

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