Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
und kein Bewohner der Dörfer schien an ihnen auch nur das geringste Interesse zu haben.
Schließlich begann es, dunkel zu werden. Andreas erkannte, dass er sich einige Male zu oft im Weg geirrt hatte und Trevera bestenfalls am nächsten Tag würde erreichen können. Aber die Aussicht, eine Nacht in diesem Wald verbringen zu müssen, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Wer weiß denn schon, wozu diese Waldmenschen fähig sind?, dachte Andreas, und die Vorstellung, im Schlaf von einem dieser Halbtiere mit einem Stein den Schädel eingeschlagen zu bekommen, ließ ihm den Angstschweiß auf die Stirn treten. Außerdem mochten in diesem unübersichtlichen Gebiet ja auch echte Räuber ihr Unwesen treiben, die darauf warteten, dass einsame Reisende sich hier verirrten.
Das Pferd hätte dringend eine Rast benötigt, Andreas wusste das, aber unter den gegebenen Umständen musste er in Bewegung bleiben, um nicht zu einer leichten Beute für wilde Tiere oder ihre menschlichen Gegenstücke zu werden; er ritt langsam weiter.
Das Sirren der Mücken wurde leiser und erstarb irgendwann ganz; dafür traten jetzt die Geräusche der Nacht an seine Stelle. Hallende Vogelschreie aus den fernen Tiefen des Waldes, Rascheln und Knacken im Unterholz, ächzende Bäume. Je dunkler es wurde, desto eindringlicher schienen diese Klänge zu werden. Andreas konnte fühlen, wie sich unter dem Stoff seiner Tunika die Härchen seines Körpers aufrichteten. Er versuchte gar nicht erst, sich einzureden, die Gänsehaut sei nur eine Folge der Kälte. Auch ein Ostgote hatte das Recht, vor Angst zu zittern.
Bald war es so dunkel geworden, dass Andreas durch lichtlose Schwärze ritt, die unmittelbar vor seinen Augen begann und alles umfloss. Er konnte nicht einmal mehr Schemen unterscheiden, und oben am Himmel ließ nicht ein einziger Stern sein vertrautes und beruhigendes Glitzern sehen. Mit jedem Schritt, den er das Pferd tun ließ, wuchs die Gefahr, dass es in ein Loch trat und sich das Bein brach, über einen Ast stolperte oder dass Andreas ein tief hängender Zweig ins Gesicht schlug und ihn verletzte. Er konnte einfach nicht weiter, es war ein Ding der Unmöglichkeit.
Ein zufälliger Seitenblick ließ ihn einen gelben Punkt im schwarzen Nichts erkennen. Ein Licht!
Wo ein Licht war, mussten auch Menschen sein. Aber welche? Vielleicht einer dieser schwachsinnigen Wilden, denen er zutraute, dass sie ihn in stumpfer Grundlosigkeit töteten? Oder ein abgelegener Bauernhof, wo er Quartier für die Nacht finden konnte? Es hätten sicherlich allerlei finstere Gesellen sein können, die darauf lauerten, dass ihr Licht verirrte Reisende anzog wie eine Kerze die Motten. Trotzdem beschloss Andreas, das Risiko einzugehen. Er tastete sich langsam zu seinem Schwert, das er in einer Lederscheide am Gürtel trug, und zog es leise heraus. Das sanfte, kaum hörbare metallische Scharren der Klinge am Rand der Scheide verlieh ihm ein Gefühl der Sicherheit, und er lenkte das Pferd in Richtung des Lichts.
Bei Näherkommen stellte sich heraus, dass der warme Schein durch ein Fenster fiel, und nach einiger Zeit stand Andreas vor einem Haus, von dem er allerdings selbst aus nächster Nähe kaum Details wahrnehmen konnte. Es mochte sich um eine kleine, schiefergedeckte Kate handeln, und damit war wenigstens sicher, dass es nicht die höhlenartige Behausung eines des Waldmenschen war.
Er stieg vom Pferd und ertastete einen Pfosten, an dem er die Zügel festband, dann ging er auf etwas zu, das im schwachen Streulicht des Fensters gerade als Tür zu erkennen war. Andreas hielt inne und überlegte einen Augenblick. Dann hob er die Hand und klopfte.
Die Tür öffnete sich mit einem schweren hölzernen Knarren, und eine Frau stand vor Andreas. Nicht etwa eine stämmige ältere Bäuerin mit herben Zügen, wie sie in dieser Umgebung zu erwarten gewesen wäre. Im Gegenteil, die Frau in der Tür war noch recht jung, hochgewachsen und schlank. Die braunen Haare trug sie hinter dem Kopf zusammengefasst, und Andreas blickte in ein hübsches Gesicht mit blauen Augen und einem Mund, der ein Lächeln irgendwo zwischen Ironie und Verständnis zu zeigen schien.
Andreas musste angesichts dieser unvorhergesehenen Situation ein wenig verwirrt ausgesehen haben, denn die Frau sagte: »Fass dich wieder und komm rein. Ach, und das Schwert kannst du wieder einstecken. Ich habe nicht vor, dich rücklings zu meucheln.«
Erstaunt stellte Andreas fest, dass er der Aufforderung der Fremden
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