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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Straße entlangritt und hinter der nächsten Hügelkuppe verschwand.
    Wollte der seltsame Angelsachse Abnehmer für die Schafwolle seines Königs suchen? Obwohl er nicht viel vom Wollhandel wusste, konnte Andreas sich nicht vorstellen, dass die in ärmlichster Dürftigkeit lebenden fränkischen Bauern eine vielversprechende Kundschaft dargestellt hätten. Andreas’ Schläfrigkeit war wie verflogen, er sprang aus dem Gras auf und lief zu seinem Pferd, das er in einigen Fuß Entfernung an einen Baumstumpf angebunden hatte. Mit einem schnellen Handgriff löste er die Zügel, dann sprang er in den Sattel und trieb das Tier an. Diese Gelegenheit, dem Tun des Angelsachsen auf den Grund zu gehen, wollte er sich keinesfalls entgehen lassen.
    Er führte das Pferd vorsichtig den Hang hinab, bis die Straße erreicht war. Dann ging es weiter in der Richtung, in die Aethelred geritten war. Andreas hoffte, ihn bald in Sichtweite zu haben, und seine Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Hinter der Kuppe verlief die Straße schnurgerade und übersichtlich zwischen den mit Rebstöcken bestandenen Hängen, und Aethelreds rotes Gewand hob sich von der Umgebung ab wie eine Laterne in der Dunkelheit. Andreas ließ sein Pferd langsamer laufen, schließlich wollte er den Angelsachsen nicht einholen, sondern nur in sicherem Abstand verfolgen.
    Der Ritt dauerte lange, und Aethelred schien nicht die Absicht zu haben, eine Pause zu machen. Eine Weile waren die Fäkalienwagen Andreas’ Weggenossen, die er immer schnell zu überholen versuchte. Dann, kurz hinter Icorigium, verließ Aethelred die Straße und folgte einem ungepflasterten Weg ostwärts. Andreas tat es ihm gleich, nicht unglücklich, dem bestialischen Gestank entronnen zu sein.
    Aber seine Freude legte sich rasch wieder. Auf den Pfaden, die sich durch das bergige Gelände mit seinen Wäldern und rau aufragenden Felswänden schlängelten, war es ungleich schwerer, Aethelred im Auge zu behalten, ohne ihm dabei riskant nahe kommen zu müssen.
      
    Ein winziger Augenblick der Unaufmerksamkeit war es nur gewesen, aber er rächte sich jetzt. Andreas hatte sich nur kurz durch einige aufdringliche Fliegen, die er verscheuchen wollte, ablenken lassen. Nun merkte er, dass er das besser nicht hätte tun sollen. Hinter der Biegung, um die Aethelred in jenem Moment geritten war, gabelte sich der schmale Hohlweg in vier Richtungen. Andreas stand ratlos im kühlen Tannenwald und ärgerte sich maßlos über seine eigene Dummheit.
    Ein rascher Blick auf den Boden half nicht weiter, denn das Erdreich von drei der vier Pfade zeigte Hufspuren. Zu Andreas’ Unglück schienen diese Wege recht häufig von Reitern benutzt zu werden. Auf den Zufall vertrauend einem der Weg zu folgen, das wusste Andreas, wäre sinnlos gewesen. Wütend wendete er sein Pferd und ritt wieder zurück. Aethelred hatte ihn abgehängt, ohne es überhaupt zu wissen.
    Der Rückweg gestaltete sich erheblich schwieriger, es kostete Andreas große Mühe und verlangte unendlich viel Konzentration, die Strecke, auf der er gekommen war, in der Gegenrichtung zurückzuverfolgen. Er verfluchte sich, weil er sich den Weg nicht besser eingeprägt hatte, und seine Flüche wurden noch um einiges heftiger, als er ein Opfer immer zahlreicher auftretender Mücken wurde, die ihn aufdringlich umsirrten und sich nicht verjagen ließen.
    Aller Anstrengung zum Trotz wählte er mehrmals die falsche Abzweigung und musste sich mühevoll bei Waldbauern und Köhlern seinen Weg erfragen. Diese Leute lebten einsam in ihren gänzlich abgeschiedenen Hütten aus Zweigen und Moos, und sie waren aus Andreas’ Sicht die elendesten Menschen, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Fast wie Tiere hausten sie inmitten des Waldes, dessen modrig-süßlichen Geruch von verfaulenden Tannennadeln und feuchtem Erdreich sie längst angenommen hatten. Sie waren entweder klein oder wirkten so durch ihre gekrümmte Haltung, ihre zerfurchten, schmutzverkrusteten, zahnlosen Gesichter ließen sie alle wie Greise aussehen, ihr wahres Alter war nicht einmal zu ahnen. Andreas konnte sich rühmen, ein recht gutes Fränkisch zu sprechen, aber dem Gestammel dieser Leute stand er hilflos gegenüber. Die Frage nach der Straße in Richtung Trevera hatte oft nur ein dummes Glotzen mit offenem Mund und dumpfen Augen zum Ergebnis, und langsam dämmerte es dem Ostgoten, dass diese Menschen noch nie etwas von Trevera gehört hatten. Sie fristeten ihr Dasein jahraus, jahrein tief im Wald,

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