Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
blaue Christusemblem, dessen griechische Buchstaben aussahen wie ein P, das von einem X überlagert wurde. Und man schien es dort eilig zu haben. Der Imperator ahnte, dass es sich wahrscheinlich nicht um ein Empfangskomitee handelte.
»Falls sie einen Boten bringen, so führt ihn in den Kartenraum, Centurio«, sagte er düster, drückte Marcus den Accederus in die Hand und ging.
Rufus Scorpio saß hinter dem großen Kartentisch, der in der Mitte des Raumes stand, das Kinn nachdenklich in eine Hand gestützt. Seine Gemächer nahmen das halbe Achterdeck der Roma Aeterna ein, und der große Besprechungsraum alleine machte fast die Hälfte dieser Fläche aus. Die Wände waren mit Paneelen aus kostbaren dunklen Hölzern bedeckt, verziert von kunstvollen Einlegearbeiten, Blumen und Ranken, die die Künstler mit solch unglaublicher Fertigkeit erschaffen hatten, dass sie beinahe greifbar real wirkten. An der Rückwand führten links und rechts Türen zu den Privaträumen des Imperators; dazwischen standen die Feldzeichen der neun Legionen, die an diesem Feldzug teilnahmen, aufgereiht vor einem großen weißen Seidenbanner, bestickt mit dem goldenen Adler Roms. Seine Schwingen waren weit ausgebreitet, und in den Fängen hielt er den Lorbeerkranz.
Vor dem Tisch stand der oströmische Kurier, den das Boot gebracht hatte, und verneigte sich nach griechischer Art vor dem Kaiser.
»Salve, Imperator!«, sagte er in kehligem Latein, unter dessen dünner Oberfläche das Griechische spürbar war. »Ich bin chiliarchos Dionysos Gypos vom Flottengeschwader Ephesos.«
»Ich grüße Euch«, antwortete Rufus in der Sprache des oströmischen Offiziers, um ihn von der Last zu befreien, die zu erwartenden schlechten Neuigkeiten auch noch in einer fremden Zunge überbringen zu müssen, »was für Nachrichten bringt Ihr mir?«
Der Grieche hob seinen Kopf wieder und fuhr fort, sichtlich dankbar für den Wechsel der Sprache: »Leider keine guten, Imperator. Wir sind einer persischen Kriegslist zum Opfer gefallen.«
»Soll das heißen, Konstantins Heer wurde geschlagen?«, stieß Rufus erschrocken hervor.
Der Kurier schüttelte den Kopf. »Nein, es ist noch nicht einmal zur Schlacht gekommen. Die Perser sind nicht in Armenien, sondern im Thema Syria Euphratensis einmarschiert. Alle unsere Geheimdienstberichte über den persischen Aufmarsch im Norden waren falsch, unsere Agenten im Perserreich müssen ein Doppelspiel getrieben haben. Ohne dass wir es wussten, hatte der Feind mindestens zweihundertfünfzigtausend Mann am Euphrat zusammengezogen, mit denen er vor einer Woche im Imperium eingefallen ist. Die Angriffe auf unsere Grenzposten in Armenien dienten nur zur Täuschung.«
Rufus spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. »Zweihundertfünfzigtausend Mann … Gott im Himmel!« Er schwieg einen Moment, dann forderte er den Offizier auf, ihm die Lage zu schildern.
Der Oströmer nahm einige der farbigen Steine, die am Rande des Tisches in einer Vertiefung lagen, und verteilte sie auf der ausgebreiteten Karte des Ostreiches.
»Hier, Imperator«, sagte er und deutete auf einen roten Stein, den er im Thema Chaldia aufgestellt hatte, »befindet sich Kaiser Konstantin, der Herr möge ihm gewogen sein, mit seiner Armee. Und dort ungefähr« – er zeigte auf einen grünen Stein nördlich der Stadt Palmyra – »ist die persische Streitmacht. Sie steht, wie wir inzwischen wissen, unter dem Befehl von General Meh-Adhar und marschiert südwärts, auf Palaestina zu.«
»Er will nach Ägypten!«, entfuhr es Rufus, und der Grieche pflichtete ihm bei: »Wir sind zu demselben Schluss gekommen, Imperator. Ihr könnt Euch die Folgen, sollte es ihm gelingen, gewiss vorstellen.«
Das fiel Rufus Scorpio in der Tat nicht schwer.
Ägypten war für Konstantinopel das, was Africa für Rom war: die Kornkammer. Wie lange würden die zwei Millionen Bewohner der östlichen Hauptstadt durchhalten, wenn die Weizenschiffe vom Nil ausblieben? Hungersnot wäre die Folge, und mit ihr würden Unruhen und Aufstände die Metropole heimsuchen. Umstände, unter denen Konstantin gezwungen wäre, den Krieg zu demütigenden Bedingungen zu beenden.
»Was macht Euer Heer jetzt?«, fragte der Kaiser ungeduldig.
»Sobald die Botschaft vom persischen Angriff ihn per Innuetor in Trapezus erreichte, hat Konstantin die Armee alsbald südwärts in Marsch gesetzt. Aber sie kommt im armenischen Bergland nur langsam voran, darum lässt er Euch bitten, die Perser um jeden
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