Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
wieder aufs Neue vor Augen zu führen. Selbst Arianer, denen Jesus als Mensch, nicht als Gott galt, stimmten in den Chor der Verdammung ein.
»Ich möchte Euch nochmals danken«, sagte Andreas. »Erlaubt, dass ich mich vorstelle. Ich bin Andreas Sigurdius.«
»Ich freue mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Was mich betrifft, ich bin Rabbi Josephus Columbanus.«
Andreas horchte auf. »Seid Ihr der Historiker und Poet Josephus Columbanus?«
»Mein Name scheint Euch bekannt zu sein, Sigurdius.«
»Das ist untertrieben!«, fuhr Andreas begeistert fort. »Ich habe alle Eure Romane gelesen. Als vor zehn Jahren die erste gedruckte Ausgabe von Im Auftrage Konstantinopels erschien, habe ich meinem Vater keine Ruhe gelassen, bis er mir ein Exemplar kaufte. Ich war von dem Buch gefesselt. Besonders Eure faszinierende Schilderung einer Welt, in welcher der Arabische Aufstand erfolgreich war und die Anhänger des Mahometus siegreich, hat mich nicht losgelassen. Wie seid Ihr auf diese Fülle von Ideen gekommen?«
Columbanus war geschmeichelt. »Ihr übertreibt, die Wahrheit ist, mir sind diese Dinge fast alle im Schlaf eingefallen. Aber natürlich höre ich Euer Lob nicht ungern. Es gibt mir das Gefühl, diese bescheidene Gabe, mit der mich der Herr in seiner Weisheit gesegnet hat, gut zu nutzen.«
»Verzeiht, wenn ich so plötzlich das Thema wechsle«, sagte Andreas in entschuldigendem Ton, »aber ich verstehe nicht, was hier in Trevera geschehen ist. Warum dieser Aufruhr? Warum hat man die arianische Kirche in Brand gesteckt und die Geistlichen misshandelt und verhaftet? Als ich gestern die Stadt verließ, war noch alles ruhig.«
Der Rabbi wurde ernst. »Gestern Mittag verkündeten Ausrufer, dass König Karl ein Edikt erlassen hat. Darin werden die Arianer zu gottlosen Häretikern erklärt, die vogelfrei sind. Kein Arianer hatte es für möglich gehalten, dass dies geschehen könnte, obwohl es schon seit Wochen Gerüchte gab und Unbekannte Unruhe stifteten unter den Nicaeern, die in diesem Land ja die große Mehrheit bilden. Das königliche Edikt ließ dann die Dämme brechen. Das Ergebnis seht Ihr, außerdem wurden die Häuser von Arianern geplündert, sie selbst waren Gewalttaten ausgesetzt, und viele wurden in die Gefängnisse gebracht. Dort sollen sie nach dem Willen des Königs bleiben, bis sie Ihrem Glauben abschwören.«
Andreas wurde unheimlich zumute. Nun war genau das eingetreten, was Marcellus prophezeit hatte: Die fränkischen Arianer wurden verfolgt, und es würde sicher nicht lange dauern, bis die Nachricht davon das Imperium erreichte. Die Folgen im Weströmischen Reich mochte sich Andreas nicht vorstellen. War es am Ende wirklich ein bewusster Versuch des Frankenkönigs, das Imperium innerlich zu spalten, um es verletzbar zu machen?
Er wollte schnell auf andere Gedanken kommen und fragte den Rabbi:
»Soviel ich weiß, Josephus Columbanus, lebt und lehrt Ihr doch in Barcino. Was hat Euch vom warmen Hispania in dieses kühle Land verschlagen?«
»Ein Ruf der hiesigen Gemeinde. Der König« – Columbanus runzelte missmutig die Stirn – »hat ein Gesetz erlassen, das meine Glaubensbrüder verunsicherte. Er will die Juden im Frankenreich zwingen, Sklavenhandel zu betreiben. Ausgerechnet dieses verabscheuungswürdige Gewerbe, das kein ehrbarer Mensch ausübt, ganz gleich ob Jude oder Christ. Man bat mich her, damit ich mich mit dem Problem befasse. Ich sollte es sowohl unter religiösen Gesichtspunkten prüfen als auch mit der fränkischen Obrigkeit zu verhandeln versuchen. Niemand kann sich erklären, warum Karl dieses seltsame Gesetz erlassen hat.«
Für Andreas war diese Neuigkeit nur teilweise überraschend. Karl hatte eine weitere seiner bizarren Launen offenbart, die Marcellus Sator zu Recht beunruhigten. Und dennoch wunderte er sich über diesen neuen Stein im Rätselgebäude, das den Frankenkönig zu umgeben schien. Wie kam er darauf, den Juden den Handel mit Sklaven vorschreiben zu müssen? Die Sklavenhaltung wurde seit mehr als hundert Jahren kaum noch praktiziert, warum wollte Karl diese unmoralische Einrichtung wiederbeleben und wieso sollten ausgerechnet die Juden dieses Geschäft betreiben müssen? Weitere Fragen, auf die Andreas keine Antwort fand.
Vor einem zweistöckigen Haus, stattlich aber unauffällig, blieb der Rabbi stehen. Wie bei den meisten Gebäuden in Trevera bestanden die Wände aus Fachwerk, das hier aber sorgsamer ausgeführt war.
»Die Herberge der jüdischen Gemeinde«,
Weitere Kostenlose Bücher