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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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schmerzverzerrten Gesichtern. Sie liefen eine Straße entlang, und wo sie den Horizont traf, stiegen schwarze, hässlich aufquellende Rauchwolken aus brennenden Wäldern auf …
      
    Andreas wurde von seinen eigenen Schreien geweckt. Kalter Schweiß rann über seine Stirn, die Kleidung klebte nass an seinem Körper. Nur langsam beruhigte sich sein Herzschlag.
    Er sah sich um.
    Er war auf einer Wiese am Rand eines Waldes, neben ihm lag sein Schwert im Gras, das Pferd stand in einigen Fuß Entfernung an einen toten Baum gebunden und äste.
    Benommen erhob Andreas sich aus dem taufeuchten Gras. Die Morgensonne schien ihm honiggelb in die Augen, und ein hundertstimmiger Vogelgesang erfüllte die Luft. Von dem Haus oder gar von Gisela war nicht die geringste Spur zu finden.
    Andreas wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß ab und überlegte. Hatte er geträumt? Die vergangene Nacht, die Weise Frau, die Schreckensvisionen: Waren das nur Produkte seiner Phantasie gewesen? Er wollte diese Erklärung akzeptieren, ja er hoffte, dass sie stimmte. Aber ein gespenstisch unwirkliches Gefühl, das er nicht verstehen oder beschreiben konnte, blieb zurück. Er schnallte sich das Schwert wieder um, band das Pferd los, schwang sich in den Sattel und ritt los. Aus geringer Entfernung hörte er das Rumpeln schwerer hölzerner Räder auf Pflastersteinen hinter den Bäumen, und das erinnerte ihn daran, dass er sich beeilen musste, nach Trevera zurückzukehren.
      
    Am frühen Nachmittag erreichte Andreas Sigurdius die Anhöhe oberhalb Treveras, von der aus er am Tag zuvor Aethelred gefolgt war. Er überlegte, wie er seinen Zeitplan wieder ins Lot bringen konnte, denn eigentlich hatte er sich einiges vorgenommen, was jetzt ausfallen musste. Der Besuch beim Gesandten des Imperiums am Abend ließ sich allerdings nicht verschieben. Dementsprechend würde die Erkundung des Militärlagers bei Igel bis zum folgenden Tag warten müssen, eine andere Möglichkeit gab es nicht.
    Er versuchte, klar und gradlinig zu denken, aber die Erinnerungen der vergangenen Nacht – mochten sie nun real oder nur Illusion gewesen sein – drängten sich immer wieder in den Vordergrund, die verstörenden, schrecklichen Bilder blieben präsent. Genau wie Gisela; seine Erinnerung an sie war so wirklich und greifbar, dass er arge Zweifel hatte, ob es überhaupt vorstellbar war, dass sie nichts als die Gestalt eines Albtraums gewesen sein könnte.
    Er ritt über die Hügelkuppe und wurde jäh aufgeschreckt. Über Trevera stieg eine dunkel qualmende Rauchsäule über dem Häusergewirr auf. Ihr Ursprung war im Süden der Stadt, nahe der Moselbrücke. Ohne genau zu wissen, was dort brannte, ahnte Andreas das Schlimmste. Er trieb das Pferd zum Galopp an und hetzte es die Straße hinunter.
      
    Johlender Pöbel hatte sich vor der arianischen Kirche versammelt und begrüßte es jedes Mal mit grölendem Beifall, wenn ein Teil des Dachstuhls einstürzte, die geborstenen Balken krachend in die Flammen fielen und glühende Funken aufwirbelten. Vor der brennenden Kirche lagen liturgische Gegenstände, Priestergewänder und Teile der Einrichtung im Dreck, zerschlagen und zerrissen, Franken mit von hasserfülltem Lachen verzerrten Fratzen trampelten darauf herum, zertrümmerten, was noch intakt war, zerfetzten Bücher und Schriftrollen, deren Überreste sie in den Schlamm traten.
    Andreas stieg am Rande des Pöbelhaufens vom Pferd und sah entsetzt, was dort geschah. Und ihm wurde rasch klar, dass es sich wohl kaum um zufällige Ausschreitungen handeln konnte, denn um die Kirche verteilt standen fränkische Soldaten. Aber nicht etwa, um die Ordnung wiederherzustellen; jeder von ihnen trug einen Eimer, und Andreas wusste, was das hieß. Sie standen hier auf Posten, um eine Löschkette zum Fluss zu bilden, falls das Feuer auf andere Gebäude überzugreifen drohte. Wären diese Befehle nicht gewesen, hätten sie sich zweifellos der rasenden Menge angeschlossen.
    Ein kleiner Trupp Soldaten trieb die arianischen Geistlichen durch die tobende Masse. Ihnen voran ging ein alter Mann im zerrissenen und besudelten Gewand eines Bischofs, und sie alle waren furchtbar gezeichnet mit den Spuren grober Misshandlungen. Die Menschen beschimpften, bespuckten, traten und schlugen die Geistlichen, deren Bewacher gar nicht daran dachten, dagegen einzuschreiten. Der alte Bischof versuchte, eine würdevolle Haltung zu wahren und aufrecht zu schreiten. Mehrmals strauchelte er, wenn Steinwürfe ihn

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