Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
mit der Anwesenheit der Legionen im Imperium. War eigentlich inzwischen der Krieg zwischen den Persern und dem Ostreich ausgebrochen und waren die Legionen bereits auf dem Weg, um sich zusammen mit den Griechen dem Shahinshah in den Weg zu stellen? Wenn dem nicht so war, konnte es sich nur noch um eine Frage der Zeit handeln; falls doch …
Was dann?, fragte Andreas sich, Ich könnte nichts mehr tun. Ganz gleich, was ich hier herausfinde, es käme zu spät. Marcellus wollte ja, dass ich Erkenntnisse sammle, die diese Situation verhindern sollten.
Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, er könnte womöglich versagt haben. Aber er verscheuchte diese Vorstellung wieder; er tat, was in seiner Macht stand. Und er würde nicht ruhen, bis er genau wusste, was im Frankenreich, in Karls Kopf und im geheimnisumwitterten Aachen vor sich ging.
Er trat aus dem Gebüsch. Wenige Schritte vor ihm stand sein Pferd an einen Ast gebunden und rupfte an einem großen Büschel Gras. In diesem Moment fiel Andreas auf, dass er diese Stute aus den Ställen des Officium Foederatii seit nunmehr über sieben Wochen benutzte, ohne ihren Namen zu kennen. Er löste das Seil, schwang sich in den Sattel und überlegte einige Augenblicke. Dann tätschelte er dem Pferd den Hals.
»Du kannst mir ja sowieso nicht widersprechen … also denke ich, ich werde dich Sieglinda nennen. So heißt nämlich meine Tante, und rein äußerlich sind da schon gewisse Ähnlichkeiten vorhanden …«
Das Pferd schnaubte kurz, was Andreas großzügig als Zustimmung deutete. Dann ritt er los.
Igel selbst war ein recht bedeutungsloses Dorf, das nicht zum Verweilen einlud. Andreas hatte nicht einmal herausfinden können, welchen Namen es zu Zeiten des Imperiums getragen hatte, denn weder war es auf seiner Straßenkarte verzeichnet noch hatte ihm einer der Bewohner diese Auskunft geben können. Da er sich aber bewusst war, dass er seine Tarnung als Besucher römischer Relikte aufrechterhalten musste, machte er sich auch hier pflichtschuldigst auf die Suche nach Hinterlassenschaften Roms. Zu seinem eigenen Erstaunen wurde er sogar fündig und stieß auf einen steinernen Bau von mindestens siebzig Fuß Höhe. Seine unteren Teile waren auf allen Seiten reich mit Reliefs figürlicher Szenen verziert, nach oben verjüngte er sich geschwungen zu einer Spitze, gekrönt von einer Weltkugel, auf der wiederum ein imperialer Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen saß. Der Dorfgeistliche, der gerade vor seiner ganz in der Nähe stehenden kleinen Kirche aus grauem Granit einige Grabsteine reinigte, erklärte Andreas, dass es sich bei dem Monument um ein Denkmal handelte, das an die Vermählung Kaiser Constantius’ mit der später heiliggesprochenen Helena erinnere. Schon ein flüchtiger Blick auf die recht verwitterte Inschrift belehrte Andreas eines Besseren, aber er hielt sich zurück und klärte den Priester nicht darüber auf, dass sein Heiligenmonument in Wirklichkeit das höchst heidnische Familiendenkmal der Secundinii war, die allem Anschein nach eine Villa in der näheren Umgebung besessen hatten. Sollte doch die Nicaeische Kirche ruhig weiterhin ihre schützende Hand über das Kunstwerk halten.
Mit der großen Bildsäule waren die Sehenswürdigkeiten Igels bereits erschöpft. Andreas blieb noch ein wenig im Dorf, in der Hoffnung, einige Soldaten aus dem nahen Militärlager zu treffen und unter Zuhilfenahme von Wein mitteilsam machen zu können. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht, nicht einer der Panzerreiter ließ sich blicken. Gegen Mittag machte Andreas sich auf den Weg zurück nach Trevera.
Nachdem er Sieglinda im Stall untergebracht hatte, setzte Andreas sich in die Gaststube des »Roten Drachen« und ließ sich etwas zu essen bringen. Die Wirtin stellte einen Teller vor ihn hin, auf dem zusammen mit einer groben Wurst ein Berg Sauerkraut aufgehäuft war. Dazu platzierte sie einen großen Weinkrug auf dem Tisch.
Durstig ergriff Andreas den Krug und nahm einen großen Schluck. Sofort bereute er seine Voreiligkeit, denn statt des erwarteten Weines enthielt der Becher ein schales, stumpf riechendes Gebräu. Nur mit Mühe konnte er sich dazu überwinden, es herunterzuschlucken, anstatt es auf der Stelle wieder auszuspucken. Wütend rief er unter den verständnislosen Blicken der anderen Gäste die Wirtin heran und wollte mit Nachdruck wissen, was sie ihm da vorgesetzt hatte.
»Na, Bier. Was denn sonst?«, antwortete sie kurz.
»In den sechs Wochen, die
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