Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
ich jetzt hier bin, habt Ihr mir immer Wein serviert. Warum bekomme ich jetzt dieses ekelerregende Zeug?«
Sie schien seine Aufregung nicht verstehen zu können. »Was wollt Ihr? Das ist sehr gutes Bier und nicht billig. Und überhaupt darf kein Wein mehr verkauft werden, damit werdet Ihr Euch abfinden müssen.«
Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden, aber Andreas hielt sie zurück.
»Einen Moment noch! Ihr sagt, dass Wein nicht mehr verkauft werden darf?«
»So ist es. Beamte sind heute in alle Gasthäuser gekommen und haben die Weinvorräte beschlagnahmt. Und bei den Weinhändlern war’s genauso. Ihr werdet Euch also mit Bier begnügen müssen. Entschuldigt mich, ich habe zu tun.«
Widerwillig löschte Andreas seinen Durst mit der scheußlichen Flüssigkeit und erkannte, dass er auf ein neues Rätsel gestoßen war. Er hatte keinen Zweifel, dass diese neue exzentrische Maßnahme in irgendeinem Zusammenhang mit den übrigen Vorgängen stand. Aber er kam nicht dazu, das neue Problem genauer zu durchdenken, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür, die zu den Gästezimmern führte, und Aethelred betrat die Gaststube. Er bemerkte den etwas abseits sitzenden Andreas nicht und bewegte sich auf den Ausgang zu. Bevor er das Haus verließ, rief er der hinter dem Schanktresen stehenden Wirtin zu, er sei auf dem Weg ins Badehaus und würde bei seiner Rückkehr in einer Stunde gerne essen. Dann ging er.
Andreas sah seine Chance. Er ließ das ungeliebte Bier stehen, legte einige Kupfermünzen neben den Teller und stand vom Tisch auf. Die Gelegenheit, einen Blick in Aethelreds Zimmer zu werfen, wollte er sich keinesfalls entgehen lassen.
Im Halbdunkel des Korridors betrachtete Andreas das Schloss an der Zimmertür. Es mochte äußerlich klobig wirken, aber primitiv war es gewiss nicht. Die fränkischen Schlosser verstanden ganz offenbar ihr Handwerk. Für einen der oströmischen Agenten, von deren Fähigkeiten er wahre Wunderdinge gehört hatte, hätte dieses Schloss sicher kein ernst zu nehmendes Hindernis dargestellt. Andreas aber sah sich bereits am Ende des Weges. Die Tür aufzubrechen, war absolut unmöglich, denn zum einen hätte Aethelred dann sofort gewusst, dass jemand in seinem Zimmer gewesen ist, zum anderen war die Gefahr zu groß, beim gewaltsamen Eindringen überrascht zu werden.
Doch eine im Bruchteil eines Augenblicks aufblitzende Assoziation gab ihm neue Hoffnung. Es war recht wahrscheinlich, dass die Wirtin zu sämtlichen Türen des »Roten Drachen« Nachschlüssel besaß. Nun hatte aber die Herberge gut und gerne zwanzig Zimmer, und Andreas konnte sich nicht erinnern, mehr als nur fünf oder sechs Schlüssel an dem Bund gesehen zu haben, den die Wirtin an der Schürze trug. Sollte sie der Einfachheit halber den Sinn verschließbarer Türen ad absurdum geführt haben? Die Chance, das wusste er, war beinahe gleich null, aber es war einen Versuch wert. Mit einer bestenfalls vagen Hoffnung zog er seinen Zimmerschlüssel aus der Gürteltasche, steckte ihn in das Türschloss, drehte …
Mit einem metallischen Klicken sprang der Sperrriegel zurück.
Andreas konnte sein Glück kaum fassen. Die Sicherheit der Gästezimmer des »Roten Drachen« mochte höchst zweifelhaft sein, aber für ihn war in diesem Moment entscheidend, dass er nun Zugang zum Raum des geheimnisvollen Fremden hatte. Rasch schlüpfte er hinein und zog die Tür hinter sich zu.
Er sah sich um. Auf den ersten Blick schien das Zimmer sehr seinem eigenen zu ähneln, aber dann wurde er der Unterschiede gewahr. Das Glasfenster kannte er bereits, außerdem war da ein roh gezimmerter Tisch mit Stuhl an der Wand gegenüber dem Bett, und in der Ecke neben der Tür befand sich eine schwere Truhe mit schmiedeeisernen Beschlägen. Daneben lagen die Satteltaschen auf dem Steinboden.
Die Truhe erregte Andreas’ Interesse, aber er stellte sofort fest, dass sie durch ein stählernes Vorhängeschloss, wie er es nie zuvor gesehen hatte, vor unbefugtem Zugriff gesichert war. Das Schloss glich keinem, das er bislang gesehen hatte, denn es war deutlich kleiner und zeigte in seiner äußeren Glätte nicht die kleinste Spur der Bearbeitung. Das ungemein schmale Schlüsselloch befand sich an der Unterseite, im Zentrum eines in den Stahl eingelassenen Metallkreises. Andreas rüttelte ein wenig daran, aber diesmal hatte er kein Glück. Die Truhe war und blieb ihm verschlossen.
Enttäuscht wandte er seine Aufmerksamkeit dem Tisch zu und fand dort
Weitere Kostenlose Bücher