Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Wie ich diesen groben Schnitzer bei der Absetzung des Romulus Augustus gemacht habe?«
»Ja, natürlich. Dadurch bin ich ja erst auf dich aufmerksam geworden.«
»Dann pass mal auf: So, wie ich die Geschichte kenne, lief das alles ein bisschen anders. Odoaker hat Orestes besiegt, ist nach Ravenna gezogen und hat Romulus in die Verbannung geschickt. Dann hat er sich zum König von Italien erklärt, und das war das Ende Westroms.«
Andreas kratzte sich am Kopf und blickte Franklin verwirrt an. »Aber das ist doch völlig unmöglich. Jedermann weiß doch …«
»Ja, hier ist das bestimmt so gewesen, wie du es kennst. Aber der richtige Ablauf der Geschichte, aus dem meine Zeit hervorgegangen ist, der sah halt anders aus.«
»Der richtige Ablauf? Wie meinst du das? Und wie soll das überhaupt möglich sein, dass Odoaker siegt? Was hätten denn dann Rufus Scorpio und Theoderich unternommen? Etwa tatenlos zugesehen?«
»Was Theoderich getan hat, kann ich dir sagen. Er saß in Pannonien und war damit beschäftigt, König der Ostgoten zu sein. Aber was Rufus Scorpio betrifft … wer, zur Hölle, soll das sein? Ich hab den Namen jetzt schon ein paar Mal gehört und weiß immer noch nicht, was dahintersteckt.«
»Ich werde es dir erklären. Bitte, erzähle mir mehr. Was ist in … in deiner Welt dann passiert? Wie ging es dort weiter?«
Captain Vincent fasste die Geschichte nach dem Ende des Weströmischen Reiches in knappen, aber präzisen Worten zusammen. Andreas schüttelte den Kopf angesichts der Barbarei, in der die Welt versunken sein sollte, und als die Rede auf den Islam kam, horchte er auf.
»Warte! Der Gründer dieser Religion hieß Mohammed, sagst du?«
»Nun sag bloß, du kennst den Namen?«, fragte Franklin erstaunt.
»Ich denke schon. Ein gewisser Mahometus hatte zur selben Zeit eine häretische Sekte gegründet, die sich nach seinem Tode mit Waffengewalt auszubreiten begann. Die Mahometer wollten sich die Schwäche Ostroms nach dem langen Krieg gegen die Perser zunutze machen und Ägypten erobern, aber weströmische Truppen konnten sie zurückschlagen. Mehr noch, Arabien konnte für das Ostreich gewonnen werden, und die Mahometer wurden gänzlich ausgelöscht.«
»Tja, da hatte Ostrom Glück, dass es das westliche Imperium noch gab. In meiner Welt haben die Mohammedaner gesiegt …«
Andreas fühlte sich fatal an das Szenario erinnert, das Josephus Columbanus in Im Auftrage Konstantinopels entworfen hatte. Er hörte mit Entsetzen, wie die literarische Phantasie des Rabbis noch weit übertroffen wurde durch diese andere Realität, in der die fanatisierten Horden aus der Wüste Arabiens nicht in Alexandria haltgemacht hatten, sondern vollbringen konnten, was Rom in Jahrhunderten nicht vermocht hatte: die Vernichtung Persiens. Damit nicht genug, sie waren bis nach Anatolien vorgestoßen und hatten sogar Konstantinopel selbst bedrängt, während der Westen der Welt in einen Zustand permanenten Niedergangs glitt. Und nun hörte er von Karl dem Großen, König der Franken, der Anno Domini 800 nach über drei Jahrhunderten der erste Träger des Titels eines Imperator Romanorum wurde.
»Das ist unfassbar!«, entfuhr es Andreas. »Soll das etwa heißen, in deiner Welt war Karl tatsächlich Kaiser?«
»Ich hatte mir schon gedacht, dass dich das interessieren würde. Hat mich auch verblüfft, wie verschieden das Frankenreich meiner Geschichtsbücher und dieses hier sind.«
»Nein, nein, das meine ich nicht. Was kannst du mir über Karl den Großen sagen?«
»Vieles, das ist eins meiner Spezialgebiete. Was willst du denn wissen?«
»Hatte euer Karl schwere Reiterei? Oder haben die Juden Sklavenhandel betrieben? Und war in Aachen …«
»Nur die Ruhe!«, unterbrach Franklin Andreas’ Redeschwall. »Das sind ja hochinteressante Fragen … aber lass mich erst mal zu Ende erklären, wie die Geschichte meiner Welt aussieht, ja?«
Widerstrebend stellte Andreas seine Fragen hintenan und versuchte, Franklins Ausführungen zu folgen. Vieles verstand er nicht, manches war für ihn kaum fassbar.
Franklin Vincent breitete das Panorama einer Weltgeschichte aus, die mit ihren irrationalen Sprüngen und widersinnigen Brechungen unmöglich ein Produkt der Phantasie sein konnte, denn paradoxerweise ist gerade die Unlogik der Ereignisse das hervorstechendste Merkmal der Realität gegenüber der Fiktion, die stets viel glatter und folgerichtiger ist als die Wirklichkeit.
Gebannt vernahm er, wie die christliche Welt in
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